| I. Der Eingang des Buches (Kap. 1-3) |
1 | Es lebte einst ein Mann im Lande Uz, Hiob mit Namen, und dieser Mann war fromm und rechtschaffen, fürchtete Gott und mied das Böse. |
2 | Sieben Söhne und drei Töchter wurden ihm geboren; |
3 | dazu besaß er siebentausend Stück Kleinvieh und dreitausend Kamele, fünfhundert Joch (= Paar) Rinder, fünfhundert Eselinnen und ein sehr zahlreiches Gesinde, so daß dieser Mann unter allen Bewohnern des Ostlandes der angesehenste war. |
4 | Nun pflegten seine Söhne im Hause eines jeden von ihnen an seinem Tage (= Geburtstage) ein festliches Mahl zu veranstalten und luden dann allemal auch ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken. |
5 | Wenn aber die Tage des betreffenden Gastmahls um waren, ließ Hiob ihnen sagen, sie möchten sich heiligen; er stand dann am andern Morgen früh auf und brachte für jeden von ihnen ein Brandopfer dar; denn Hiob dachte: »Vielleicht haben meine Kinder sich versündigt und in ihrem Herzen Gott verwünscht (d.h. sich von Gott losgesagt).« So machte es Hiob jedesmal. |
6 | Nun begab es sich eines Tages, daß die Gottessöhne kamen, um sich vor Gott, den HERRN, zu stellen; und unter ihnen erschien auch der Satan. |
7 | Da fragte der HERR den Satan: »Woher kommst du?« Der Satan gab dem HERRN zur Antwort: »Ich bin auf der Erde umhergestreift und habe eine Wanderung auf ihr vorgenommen.« |
8 | Da sagte der HERR zum Satan: »Hast du wohl auf meinen Knecht Hiob achtgegeben? Denn so wie er ist kein Mensch auf der Erde, so fromm und rechtschaffen, so gottesfürchtig und dem Bösen feind.« |
9 | Der Satan erwiderte dem HERRN: »Ist Hiob etwa umsonst so gottesfürchtig? |
10 | Hast du nicht selbst ihn und sein Haus und seinen ganzen Besitz rings umhegt? Was seine Hände angreifen, das segnest du, so daß sein Herdenbesitz sich immer weiter im Lande ausgebreitet hat. |
11 | Aber strecke doch einmal deine Hand aus und lege sie an alles, was er besitzt: dann wird er sich schon offen von dir lossagen (oder: dir fluchen).« |
12 | Da antwortete der HERR dem Satan: »Gut! alles, was ihm gehört, soll in deine Gewalt gegeben sein! Nur an ihn selbst darfst du die Hand nicht legen!« Da ging der Satan vom Angesicht des HERRN hinweg. |
13 | Während nun eines Tages Hiobs Söhne und Töchter im Hause ihres ältesten Bruders schmausten und Wein tranken, |
14 | kam plötzlich ein Bote zu Hiob und meldete: »Die Rinder pflügten gerade, und die Eselinnen befanden sich neben ihnen auf der Weide, |
15 | da machten die Sabäer einen Überfall und trieben sie weg und erschlugen die Knechte mit dem Schwert; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!« |
16 | Während dieser noch redete, kam schon ein anderer und berichtete: »Feuer Gottes (d.h. der Blitz) ist vom Himmel gefallen und hat das Kleinvieh und die Knechte vollständig verbrannt; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!« |
17 | Während dieser noch redete, kam schon wieder ein anderer und berichtete: »Die Chaldäer sind in drei Heerhaufen, die sie aufgestellt hatten, über die Kamele hergefallen und haben sie weggetrieben; sie haben auch die Knechte mit dem Schwert niedergemacht; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!« |
18 | Dieser hatte noch nicht ausgeredet, da kam wieder ein anderer und berichtete: »Deine Söhne und Töchter waren beim Essen und Weintrinken im Hause ihres ältesten Bruders, |
19 | da kam plötzlich ein gewaltiger Sturmwind über die Steppe herüber und faßte das Haus an seinen vier Ecken, so daß es auf die jungen Leute stürzte und sie ums Leben kamen; ich bin der einzige, der entronnen ist, um es dir zu melden!« |
20 | Da stand Hiob auf, zerriß sein Gewand und schor sich das Haupt; dann warf er sich auf die Erde nieder, berührte den Boden mit der Stirn, |
21 | und sagte: »Nacht bin ich aus meiner Mutter Schoß gekommen, und nackt werde ich dorthin zurückkehren; der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen: der Name des HERRN sei gepriesen!« |
22 | Bei allen diesen Heimsuchungen versündigte sich Hiob nicht und tat nichts Ungebührliches vor Gott. |
1 | Da begab es sich eines Tages, daß die Gottessöhne (1,6) wiederum kamen, um sich vor Gott den HERRN zu stellen; und unter ihnen erschien auch der Satan, um sich vor den HERRN zu stellen. |
2 | Da fragte der HERR den Satan: »Woher kommst du?« Der Satan gab dem HERRN zur Antwort: »Ich bin auf der Erde umhergestreift und habe eine Wanderung auf ihr vorgenommen.« |
3 | Da sagte der HERR zum Satan: »Hast du auch auf meinen Knecht Hiob achtgegeben? Denn so wie er ist kein Mensch auf der Erde, so fromm und rechtschaffen, so gottesfürchtig und dem Bösen feind; noch immer hält er an seiner Frömmigkeit fest, wiewohl du mich gegen ihn gereizt hast, ihn ohne Grund unglücklich zu machen.« |
4 | Der Satan aber erwiderte dem HERRN: »Haut um Haut! Ja alles, was ein Mensch hat, gibt er für sein Leben hin. |
5 | Aber strecke nur einmal deine Hand aus und lege sie an sein Gebein und sein Fleisch, so wird er sich sicherlich offen von dir lossagen!« (vgl. 1,5) |
6 | Da sagte der HERR zum Satan: »Gut! er soll in deine Gewalt gegeben sein: nur sein Leben sollst du schonen!« |
7 | Da ging der Satan vom HERRN hinweg und schlug Hiob mit bösartigen Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel, |
8 | so daß er sich eine Scherbe nahm, um sich mit ihr zu schaben, während er mitten in der Asche saß. |
9 | Da sagte seine Frau zu ihm: »Hältst du denn immer noch an deiner Frömmigkeit fest? Sage dich los von Gott (= verfluche doch Gott) und stirb!« |
10 | Er aber antwortete ihr: »Du redest, wie die erste beste Törin reden würde! Das Gute haben wir von Gott hingenommen und sollten das Schlimme nicht auch hinnehmen?« Bei allen diesen Heimsuchungen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. |
11 | Als nun die drei Freunde Hiobs von all diesem Unglück hörten, das ihn betroffen hatte, machten sie sich, ein jeder aus seinem Wohnort, auf den Weg, nämlich Eliphas aus Theman, Bildad aus Suah und Zophar aus Naama, und zwar verabredeten sie sich, miteinander hinzugehen, um ihm ihr Beileid auszudrücken und ihn zu trösten. |
12 | Als sie nun von ferne ihre Augen aufschlugen, erkannten sie ihn nicht mehr; da fingen sie an, laut zu weinen, zerrissen ein jeder sein Gewand und warfen Staub in die Luft auf ihre Häupter herab. |
13 | Dann saßen sie bei ihm auf dem Erdboden sieben Tage und sieben Nächte lang, ohne daß einer ein Wort zu ihm redete; denn sie sahen, daß sein Schmerz überaus groß war. |
1 | Endlich öffnete Hiob den Mund und verfluchte den Tag seiner Geburt, |
2 | indem er ausrief: |
3 | »Vernichtet sei der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, die da verkündete: ›Ein Mann (= Knabe) ist empfangen worden!‹ |
4 | Jener Tag möge zu Finsternis werden! Nicht kümmere sich um ihn Gott in der Höhe, und kein Tageslicht möge über ihm erglänzen! |
5 | Nein, Finsternis und Todesschatten mögen ihn als ihr Eigentum zurückfordern, Wolkendunkel sich über ihm lagern, Verdüsterung des Tageslichts ihn schreckensvoll machen! |
6 | Jene Nacht – sie sei ein Raub des Dunkels! sie werde den Tagen des Jahres nicht beigesellt, in die Zahl der Monate nicht eingereiht! |
7 | Nein, jene Nacht bleibe unfruchtbar, kein Jubelruf (d.h. Hochzeitsjubel) sei ihr je beschieden! |
8 | Verwünschen mögen sie die Tagbeschwörer, die es verstehen, den Leviathan (= Himmelsdrachen) in Wut zu versetzen! |
9 | Finster müssen die Sterne ihrer Dämmerung bleiben: sie warte auf Licht, doch es bleibe aus, und niemals erblicke sie die Wimpern des Morgenrots! |
10 | Denn sie hat mir die Pforte des Mutterschoßes nicht verschlossen und das Unheil vor meinen Augen nicht verborgen. |
11 | Warum bin ich nicht gleich vom Mutterleibe weg (= gleich bei der Geburt) gestorben, nicht dem Tode verfallen, als ich aus dem Mutterschoß hervorgekommen war? |
12 | Weshalb haben sich mir Knie liebreich dargeboten und wozu Brüste, daß ich an ihnen trinken konnte? |
13 | Denn ich würde jetzt im Grabesfrieden liegen, würde schlafen: da hätte ich Ruhe |
14 | mit Königen und Volksberatern der Erde, die sich Grabpaläste erbaut haben, |
15 | oder mit Fürsten, die reich an Gold waren und ihre Häuser mit Silber gefüllt hatten; |
16 | oder, einer verscharrten Fehlgeburt gleich, wäre ich nicht ins Dasein getreten, den Kindlein gleich, die das Licht nicht erblickt haben. |
17 | Dort haben die Frevler abgelassen vom Wüten, und dort ruhen die aus, deren Kraft erschöpft ist; |
18 | dort leben die Gefangenen allesamt in Frieden, hören nicht mehr die Stimme eines Treibers (oder: Fronvogts). |
19 | Niedrige und Hohe gelten dort gleich, und frei ist der Knecht (= Sklave) von seinem Herrn. |
20 | Warum gibt er (d.h. Gott) dem Mühseligen das Licht, und das Leben denen, die verzweifelten Herzens sind? |
21 | Die sich nach dem Tode sehnen, ohne daß er kommt, und die nach ihm eifriger graben als nach Schätzen? |
22 | Die sich bis zum Jubel freuen, ja aufjauchzen würden, wenn sie das Grab fänden? |
23 | (Warum gibt er’s nicht) dem Manne, dem sein Weg (= Geschick) in Nacht verborgen ist und dem Gott jeden Ausweg versperrt hat? |
24 | Denn Seufzen ist für mich das tägliche Brot, und gleich dem Wasser ergießt sich meine laute Klage. |
25 | Denn bebe ich vor etwas Furchtbarem, so trifft es bei mir ein, und wovor mir graut, das bricht über mich herein: |
26 | ich darf nicht aufatmen noch rasten noch ruhen, so stellt sich schon wieder eine Qual ein.« |
| II. Erster Gesprächsgang (Kap. 4-14) |
1 | Da hob Eliphas von Theman an und sagte: |
2 | »Wird es dich verdrießen, wenn man ein Wort an dich zu richten wagt? Doch wer vermöchte die Worte zurückzuhalten? |
3 | Hast du doch selbst vielen (Leidenden) Mut zugesprochen und erschlaffte Hände gestärkt; |
4 | manchen Wankenden haben deine Worte aufrecht gehalten, und niedersinkenden Knien hast du neue Kraft verliehen. |
5 | Nun aber, da die Reihe an dich gekommen, bist du verzagt; nun es dich selbst trifft, verlierst du den Halt!« |
6 | »Ist deine Gottesfurcht nicht deine Zuversicht und dein unsträflicher Wandel deine Hoffnung? |
7 | Bedenke doch: Wo ist je ein Unschuldiger zugrunde gegangen, und wo sind Rechtschaffene vernichtet worden? |
8 | Soweit meine Erfahrung reicht: die Unheil gepflügt und Frevel gesät hatten, die haben es auch geerntet. |
9 | Durch Gottes Odem kommen sie um, und durch den Hauch (oder: das Schnauben) seines Zornes vergehen sie. |
10 | Des Löwen Gebrüll und die Stimme des Leuen (sind verstummt), und den jungen Löwen sind die Zähne ausgebrochen; |
11 | da kommt auch ein Löwe um aus Mangel an Raub, und die Jungen der Löwin müssen sich zerstreuen.« |
12 | »Zu mir ist aber ein Wort verstohlen gedrungen, und mein Ohr hat einen flüsternden Laut davon (oder: von daher) vernommen |
13 | beim Spiel der durch Traumbilder erregten Gedanken, in der Zeit, wo tiefer Schlaf sich auf die Menschen senkt: |
14 | ein Grauen überfiel mich und ein Zittern, durch alle meine Gebeine ging ein Schauder; |
15 | ein Lufthauch (oder: ein Geist) strich leise an meinem Antlitz vorüber; es sträubte sich mir das Haar am Leibe empor! |
16 | Da stand – ihr Aussehen konnte ich nicht erkennen – eine Gestalt vor meinen Augen, und eine Stimme hörte ich flüstern: |
17 | ›Kann wohl ein Mensch gerecht vor Gott sein oder ein Sterblicher rein vor seinem Schöpfer? |
18 | Bedenke: seinen Dienern kann er nicht trauen, und seinen Engeln legt er Mängel (oder: Irrtümer) zur Last: |
19 | wieviel mehr denen, die Lehmhütten bewohnen, deren Grundbau im Staube liegt! Sie werden zerdrückt, als wären sie Motten; |
20 | vom Morgen bis zum Abend werden sie zerschmettert; unbeachtet vergehen sie auf ewig. |
21 | Nicht wahr, so ist es: wird das Haltseil ihres Zeltes bei ihnen ausgerissen, so sterben sie und wissen nicht wie.‹« |
1 | »Ja, rufe nur! Ist jemand da, der dir Antwort gibt? Und an wen von den heiligen (Engeln) willst du dich wenden? |
2 | Vielmehr den Toren bringt sein Unmut um, und den Einfältigen tötet sein Eifern (oder: Hadern). |
3 | Ich selbst habe einen Toren zwar Wurzel schlagen sehen, doch gar schnell hatte ich seine Wohnstätte zu verwünschen. |
4 | Seinen Kindern blieb die Hilfe (oder: das Wohlergehen) fern, und sie wurden im Tor (= vor Gericht) zertreten, ohne daß ein Retter da war. |
5 | Seine Ernte verzehrte ein anderer, der danach hungerte und sie sogar hinter dem Dorngehege wegholte; und Durstige schnappten nach seinem Vermögen. |
6 | Denn nicht aus dem Erdenstaube (oder: Erdboden) erwächst das Unheil, und das Leid sproßt nicht aus der Ackererde hervor, |
7 | sondern der Mensch erzeugt das Leid, wie die Kinder der Flamme (d.h. die Feuerfunken) einen hohen Flug zu nehmen pflegen.« |
8 | »Doch ich, an den Höchsten würde ich mich wenden und meine Sache Gott anheimstellen, |
9 | ihm, der große und unerforschliche Dinge tut, Wunderbares ohne Maß und Zahl – |
10 | ihm, der Regen über die Erde hin sendet und des Himmels Naß auf die Fluren fallen läßt –, |
11 | insofern er Niedrige emporhebt und Trauernde sich des höchsten Glücks erfreuen läßt; |
12 | ihm, der die Pläne der Listigen vereitelt, so daß ihre Hände nichts Erfolgreiches schaffen; |
13 | ihm, der die Klugen trotz ihrer Schlauheit fängt, so daß die Verschlagenen sich in ihren Anschlägen überstürzen: |
14 | am hellen Tage stoßen sie auf Finsternis, und am Mittag tappen sie im Dunkel wie bei Nacht. |
15 | So rettet er den Wehrlosen vor dem Schwert aus ihrem Rachen, und aus des Starken Faust den Geringen. |
16 | So erblüht dem Schwachen neue Hoffnung, die Bosheit aber muß ihren Mund schließen.« |
17 | »O wohl dem Menschen, den Gott in Zucht nimmt! Darum verschmähe die Züchtigung des Allmächtigen nicht! |
18 | Denn er verwundet wohl, doch er verbindet auch; wenn er zerschlägt, so heilen seine Hände auch wieder. |
19 | In sechs Drangsalen errettet er dich, und in sieben wird kein Unheil dich treffen. |
20 | In Hungersnot bewahrt er dich vor dem Tode und im Kriege vor der Gewalt des Schwertes. |
21 | Vor den Geißelhieben der Zunge wirst du geborgen sein und brauchst nicht vor der Verheerung zu bangen, daß sie dich erreicht. |
22 | Der Verwüstung und der Hungersnot darfst du lachen und hast von den wilden Tieren des Landes nichts zu befürchten; |
23 | denn mit den Steinen des Feldes stehst du im Bunde, und das Getier des Feldes lebt mit dir in Frieden. |
24 | So wirst du es denn erfahren, daß dein Zelt in Sicherheit ist, und überblickst du dein Gehöft (oder: deine Wohnstätte), so wirst du nichts vermissen |
25 | und wirst es erleben, daß deine Nachkommenschaft zahlreich ist und dein Nachwuchs gleich dem Gras der Flur. |
26 | In vollreifem Alter wirst du in die Gruft eingehen, wie der Garbenhaufen eingebracht wird zur rechten Zeit. |
27 | Siehe, dies ist es, was wir erforscht haben, so ist es: vernimm es und beherzige es zu deinem Heil!« |
1 | Da antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Ach, würde doch mein Unmut genau gewogen und legte man mein Unglück zugleich (= dagegen) auf die Waage! |
3 | Denn dann würde es schwerer erfunden werden als der Sand am Meere; darum ist meine Rede irre gegangen. |
4 | Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir, deren brennendes Gift mein Geist in sich einsaugt: Gottes Schrecknisse stellen sich in Schlachtordnung gegen mich auf. |
5 | Schreit etwa ein Wildesel auf grasiger Weide? Oder brüllt ein Rind bei seinem Futterkorn? |
6 | Genießt man fade Speisen ohne Salz? Oder ist Wohlgeschmack im Schleim des Eidotters (= im Eiweiß)? |
7 | Meine Seele sträubt sich dagegen, solche Sachen anzurühren, und ihnen gleicht die Ekelhaftigkeit meiner Speise.« |
8 | »O daß doch meine Bitte erfüllt würde und Gott mir meine Hoffnung gewährte! |
9 | Gefiele es doch Gott, mich zu zermalmen! Streckte er doch seine Hand aus und schnitte meinen Lebensfaden ab! |
10 | So würde doch das noch ein Trost für mich sein – ja aufhüpfen wollte ich trotz des schonungslosen Schmerzes –, daß ich die Gebote des Heiligen nie verleugnet habe. |
11 | Wie groß ist denn meine Kraft noch, daß ich ausharren könnte? Und welcher Ausgang wartet meiner, daß ich mich noch gedulden sollte? |
12 | Ist meine Kraft etwa hart wie die Kraft der Steine oder mein Leib aus Erz gegossen? |
13 | Ach, bin ich nicht ganz und gar hilflos? Und ist mir nicht alles entrissen, worauf ich mich stützen könnte?« |
14 | »Dem Verzweifelnden gebührt Liebe von seinem Nächsten, selbst wenn er die Furcht vor dem Allmächtigen preisgibt. |
15 | Meine Freunde aber haben sich treulos bewiesen wie ein Wildbach, wie die Rinnsale von Wildbächen, die (in der Regenzeit) überströmen, |
16 | die trübe vom Eiswasser dahinfließen, wenn der (geschmolzene) Schnee sich in ihnen birgt; |
17 | doch zur Zeit, wo die Sonnenglut sie trifft, versiegen sie: wenn es heiß wird, sind sie spurlos verschwunden. |
18 | Da schlängeln sich die Pfade ihres Laufes, verdunsten in die leere Luft und verlieren sich. |
19 | Die Handelszüge (= Karawanen) von Thema (Jes 21,14) schauen nach ihnen aus, die Wanderzüge der Sabäer (1,15) setzen ihre Hoffnung auf sie, |
20 | werden jedoch in ihrem Vertrauen betrogen: sie kommen hin und sehen sich getäuscht. |
21 | So seid auch ihr jetzt ein Nichts für mich geworden: ihr seht das Schreckliche und seid fassungslos! |
22 | Habe ich etwa gebeten: ›Gebt mir etwas und macht mir ein Geschenk von eurem Vermögen; |
23 | rettet mich aus der Hand meines Bedrängers und kauft mich los aus der Gewalt unbarmherziger Gläubiger‹?« |
24 | »Belehrt mich, so will ich schweigen, und macht mir klar, worin ich mich verfehlt habe! |
25 | Wie eindringlich sind Worte der Wahrheit! Aber was beweist der Tadel, den ihr aussprecht? |
26 | Beabsichtigt ihr, Worte von mir richtigzustellen? Für den Wind sind ja doch die Worte eines Verzweifelnden! |
27 | Sogar über ein Waisenkind würdet ihr das Los werfen und euren eigenen Freund verschachern! |
28 | Nun aber – versteht euch doch dazu, mich anzublicken: ich werde euch doch wahrlich nicht ins Angesicht belügen! |
29 | O kehrt euch her zu mir: tut mir nicht unrecht! Nein, kehrt euch her zu mir; noch steht das Recht in dieser Sache auf meiner Seite! |
30 | Entsteht denn durch meine Zunge Unrecht? Oder fehlt mir das Vermögen, Unglücksschläge zu unterscheiden?« |
1 | »Hat der Mensch nicht harten Kriegsdienst (= Frondienst) auf Erden zu leisten, und gleichen seine Lebenstage nicht den Tagen eines Tagelöhners? |
2 | Gleich einem Sklaven, der nach Schatten lechzt, und wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn harrt, |
3 | so habe auch ich Monate des Elends als Erbteil zugewiesen erhalten, und qualvolle Nächte sind mir zugeteilt worden. |
4 | Sobald ich mich niedergelegt habe, denke ich: ›Wann werde ich wieder aufstehen?‹ Dann dehnt sich die Nacht endlos aus, und ich werde des Hin- und Herwerfens (über)satt bis zum Morgengrauen. |
5 | Mein Leib hat sich mit Gewürm und erdiger Kruste umkleidet; meine Haut ist zusammengeschrumpft, um eiternd wieder aufzubrechen. |
6 | Meine Tage fliegen schneller dahin als ein Weberschiffchen und entschwinden hoffnungslos. |
7 | Bedenke, daß mein Leben nur ein Hauch ist! Mein Auge wird das Glück nie wieder zu sehen bekommen! |
8 | Das Auge dessen, der mich jetzt noch erblickt, wird mich bald nicht mehr schauen: suchen deine Augen nach mir, so bin ich nicht mehr da. |
9 | Wie eine Wolke sich auflöst und zergeht, so kommt auch, wer ins Totenreich hinabgefahren ist, nicht wieder herauf: |
10 | nie kehrt er wieder in sein Haus zurück, und seine Wohnstätte weiß nichts mehr von ihm!« |
11 | »So will nun auch ich meinem Mund nicht wehren, will in der Angst meines Herzens reden, in der Verzweiflung meiner Seele klagen. |
12 | Bin ich etwa ein Meer oder ein Seeungeheuer, daß du eine Wache gegen mich aufstellst? |
13 | Wenn ich denke: ›Trösten wird mich mein Lager, mein Bett wird mir meinen Jammer tragen helfen‹, |
14 | so ängstigst du mich durch Träume und schreckst mich durch Nachtgesichte auf, |
15 | so daß ich lieber erwürgt sein möchte, lieber den Tod sähe als dies mein Gerippe. |
16 | Nun habe ich’s satt, ich mag nicht ewig so leben: laß ab von mir, denn nur noch ein Hauch sind meine Tage. |
17 | Was ist der Mensch, daß du ihn so groß achtest und überhaupt dein Augenmerk auf ihn richtest? |
18 | Daß du alle Morgen nach ihm ausschaust und ihn alle Augenblicke prüfst? |
19 | Wann wirst du endlich deine Blicke von mir wegwenden und mir Ruhe gönnen, während ich nur meinen Speichel verschlucke? |
20 | Habe ich gesündigt: was habe ich dir damit geschadet, du Menschenbeobachter? Warum hast du mich zur Zielscheibe deiner Angriffe hingestellt, so daß ich mir selbst zur Last bin? |
21 | Und warum vergibst du mir meine Sünde nicht und schenkst meiner Schuld nicht Verzeihung? Denn jetzt werde ich mich in den Staub legen, und suchst du dann nach mir, so bin ich nicht mehr da.« |
1 | Da nahm Bildad von Suah das Wort und sagte: |
2 | »Wie lange noch willst du solche Reden führen, und wie lange noch sollen die Worte deines Mundes als Sturmwind daherfahren? |
3 | Beugt Gott etwa das Recht, oder verdreht der Allmächtige die Gerechtigkeit? |
4 | Nur wenn (oder: weil) deine Kinder gegen ihn gesündigt hatten, hat er sie die Folge ihrer Übertretung tragen lassen. |
5 | Wenn du aber Gott ernstlich suchst und zum Allmächtigen flehst, |
6 | wenn du dabei unsträflich und rechtschaffen bist: ja, dann wird er zu deinem Heil erwachen und deine Wohnung als eine Stätte der Gerechtigkeit (oder: als eine dir gebührende Stätte) wiederherstellen. |
7 | Da wird dann dein vormaliger Glücksstand klein erscheinen gegenüber der Größe deiner nachmaligen Lage.« |
8 | »Denn befrage nur das frühere Geschlecht und achte auf das, was ihre Väter erforscht haben! |
9 | Denn wir sind nur von gestern her und wissen nichts, weil unsere Tage nur ein Schatten auf Erden sind; |
10 | sie aber werden dich sicherlich belehren, werden dir’s sagen und aus der Tiefe ihrer Einsicht die Worte hervorgehen lassen: |
11 | ›Schießt Schilfrohr auf, wo kein Sumpf ist? Wächst Riedgras ohne Wasser auf? |
12 | Noch steht es in frischem Triebe, ist noch nicht reif zum Schnitt, da verdorrt es schon vor allem andern Gras. |
13 | So ergeht es auch allen, die Gott vergessen, und so wird die Hoffnung des Ruchlosen zunichte; |
14 | denn seine Zuversicht setzt er auf Sommerfäden, und das, worauf er vertraut, ist ein Spinngewebe. |
15 | Er lehnt sich an sein Haus, doch es hält nicht stand; er klammert sich fest daran, doch es bleibt nicht stehen. |
16 | Er strotzt von Saft auch in der Sonnenglut, und seine Schößlinge breiten sich über seinen Garten aus; |
17 | (sogar) um Steingeröll schlingen sich seine Wurzeln, und in Steingemäuer bohren sie sich hinein; |
18 | wenn aber er (d.h. Gott) ihn von seiner Stätte wegreißt, so verleugnet diese ihn: Ich habe dich nie gesehen! |
19 | Siehe, das ist die Freude, die er von seinem Lebenswege hat, und aus dem Boden sprossen wieder andere auf.‹« |
20 | »Nein, Gott verwirft den Frommen nicht und reicht keinem Frevler die Hand. |
21 | Während er dir den Mund wieder mit Lachen füllen wird und deine Lippen mit lautem Jubel, |
22 | werden deine Widersacher mit Schande bedeckt dastehen, und das Zelt der Frevler wird verschwunden sein.« |
1 | Darauf antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Gewiß, ich weiß, daß es sich so verhält, und wie könnte ein Mensch Gott gegenüber recht behalten? |
3 | Wenn es ihn gelüstete, sich mit Gott in einen Rechtsstreit einzulassen, so könnte er ihm auf tausend Fragen keine einzige Antwort geben. |
4 | Ist einer auch reich an Klugheit und stark an Kraft: wer hat ihm (Gott) je getrotzt und ist heil davongekommen? |
5 | Er ist es ja, der Berge versetzt, ohne daß sie es merken, der sie in seinem Zorn umkehrt; |
6 | er macht die Erde aufbeben von ihrer Stätte, daß ihre Säulen ins Wanken geraten; |
7 | er gebietet der Sonne, so geht sie nicht auf, und legt die Sterne unter Siegel; |
8 | er spannt das Himmelszelt aus, er allein, und schreitet hoch auf den Meereswogen einher; |
9 | er hat das Bärengestirn und den Orion geschaffen, das Siebengestirn und die Kammern (d.h. die Sternbilder) des Südens; |
10 | er vollführt große Dinge, daß sie nicht zu erforschen sind, und Wunderwerke, daß man sie nicht zählen kann. |
11 | Siehe, er geht an mir vorüber, doch ich sehe ihn nicht; er schwebt dahin, doch ich nehme ihn nicht wahr. |
12 | Wenn er hinwegrafft – wer will’s ihm wehren? Wer darf zu ihm sagen: ›Was machst du da?‹« |
13 | »Gott läßt von seinem Zorn nicht ab – unter ihn haben sich sogar die Helfer Rahabs beugen müssen –, |
14 | geschweige denn, daß ich ihm Rede stehen könnte und ihm gegenüber die rechten Worte zu wählen wüßte. |
15 | Wenn ich auch im Recht wäre, könnte ich ihm doch nicht antworten, sondern müßte ihn als meinen Richter noch anflehen! |
16 | Selbst wenn ich ihn vor Gericht zöge und er mir Rede stünde, würde ich doch nicht glauben, daß er meinen Aussagen Gehör schenkte; |
17 | nein, er würde im Sturmesbrausen mich zermalmen und meine Wunden ohne Ursache zahlreich machen; |
18 | er würde mich nicht zu Atem kommen lassen, sondern mich mit bitteren Leiden sättigen. |
19 | Kommt es auf die Kraft des Starken an, so würde er sagen: ›Hier bin ich!‹, und handelt es sich um ein Rechtsverfahren: ›Wer will mich vorladen?‹ |
20 | Wäre ich auch im Recht, so müßte doch mein eigener Mund mich verdammen, und wäre ich schuldlos, so würde er mich doch als schuldig erscheinen lassen.« |
21 | »Schuldlos bin ich! Mir liegt nichts an meinem Leben; ich achte mein Dasein für nichts! |
22 | Es kommt auf eins heraus, darum spreche ich es frei aus: Den Unschuldigen vernichtet er wie den Bösewicht. |
23 | Wenn die Geißel (schwerer Volksplagen) jähen Tod bringt, so lacht er über die Verzweiflung der Unschuldigen. |
24 | Ist ein Land in die Hand eines Frevlers gegeben, so verhüllt er die Augen seiner Richter; wenn er es nicht tut – wer denn sonst? |
25 | Und meine Tage eilen schneller dahin als ein Läufer, sind entschwunden, ohne das Glück gesehen zu haben; |
26 | sie sind dahingeschossen wie Rohrkähne, wie ein Adler, der auf seine Beute stößt. |
27 | Wenn ich mir vornehme: ›Ich will meinen Jammer vergessen, will mein finsteres Aussehen abtun und heiter blicken!‹, |
28 | so faßt mich doch immer wieder ein Schauder vor allen meinen Schmerzen; ich weiß ja, daß du (o Gott) mich nicht für schuldlos erklären wirst.« |
29 | »Ich muß nun einmal als schuldig gelten: wozu soll ich mich da noch vergebens mühen? |
30 | Wenn ich mich auch mit Schnee wüsche und meine Hände mit Lauge reinigte, |
31 | so würdest du mich doch in die schlammgefüllte Grube eintauchen, so daß meine eigenen Kleider sich vor mir ekelten. |
32 | Denn Gott ist nicht ein Mann wie ich, daß ich ihm Rede stünde, daß wir zusammen vor Gericht treten könnten; |
33 | es gibt zwischen uns keinen Schiedsmann, der seine Hand auf uns beide legen könnte. |
34 | Er nehme seine Rute von mir weg und lasse seinen Schrecken mich nicht mehr ängstigen: |
35 | so will ich reden, ohne mich vor ihm zu fürchten; denn nicht also (= solcher Dinge) bin ich’s mir bewußt (daß ich ihn fürchten müßte).« |
1 | »Mir ekelt vor meinem Leben: so will ich denn meiner Klage über ihn (d.h. Gott) freien Lauf lassen, will reden in der Verzweiflung meiner Seele! |
2 | Ich will zu Gott sagen: ›Behandle mich nicht als einen Frevler! Laß mich wissen, warum du gegen mich im Streite liegst! |
3 | Ist es wohlgetan von dir, daß du gewaltsam verfährst, daß du das Gebilde deiner Hände verwirfst, während du zu den Anschlägen der Frevler dein Licht leuchten läßt? |
4 | Sind deine Augen von Fleisch (= wie die eines Sterblichen), oder siehst du die Dinge so an, wie Menschen sie sehen? |
5 | Gleichen deine Tage denen eines Sterblichen, oder sind deine Jahre wie die Lebenstage eines Mannes, |
6 | daß du nach einer Verschuldung bei mir suchst und nach einer Missetat bei mir forschest, |
7 | obgleich du weißt, daß es für mich keine Rettung gibt, und daß niemand da ist, der mich aus deiner Hand erretten kann?« |
8 | »Deine Hände haben mich kunstvoll gebildet und sorgsam gestaltet, danach aber hast du dich dazu gewandt, mich zu vernichten. |
9 | Denke doch daran, daß du mich wie Ton geformt hast; und nun willst du mich wieder zu Staub machen? |
10 | Hast du mich nicht einstmals wie Milch hingegossen und wie Molken (oder: Käse) mich gerinnen lassen? |
11 | Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten; |
12 | Leben und Huld (oder: Wohltaten) hast du mir gewährt, und deine Obhut hat meinen Odem bewahrt. |
13 | Doch du hast dabei im geheimen den Gedanken gehegt – ich weiß, daß dies bei dir fest beschlossen gewesen ist –: |
14 | Sobald ich sündigte, wolltest du es mir gedenken und mich von meiner Verfehlung nicht freisprechen. |
15 | Würde ich mich verschulden, dann wehe mir! Aber auch wenn ich schuldlos bliebe, sollte ich doch mein Haupt nicht erheben, sondern mit Schande gesättigt und mit Elend vollauf getränkt werden; |
16 | würde mein Haupt sich aber emporrichten: wie ein Löwe wolltest du mich jagen und immer wieder deine Wundermacht an mir erweisen; |
17 | wolltest immer neue Zeugen gegen mich auftreten lassen und deinen Zorn gegen mich noch steigern, ein immer neues Heer von Leiden gegen mich aufbieten.« |
18 | »Aber warum hast du mich aus dem Mutterschoß hervorgehen lassen? Ich hätte verscheiden sollen, noch ehe ein Auge mich sah, |
19 | hätte werden sollen, als wäre ich nie gewesen, vom Mutterschoß weg sogleich zum Grabe getragen! |
20 | Sind nicht meine Lebenstage nur noch wenige? So höre doch auf und laß ab von mir, damit ich noch ein wenig heiter blicken (= aufatmen) kann, |
21 | bevor ich, ohne zurückzukehren, dahinfahre in das Land der Finsternis und des Todesschattens, |
22 | in das Land, das düster ist wie tiefe Nacht, in das Land des Todesschattens und des Wustes, wo das Aufleuchten (des Tages) so hell ist wie Finsternis.« |
1 | Da nahm Zophar von Naama das Wort und sagte: |
2 | »Soll (dieser) Wortschwall ohne Antwort bleiben und dieser Zungenheld recht behalten? |
3 | Dein Gerede sollte Männer zum Schweigen bringen, und du solltest höhnen dürfen, ohne von jemand widerlegt zu werden?!« |
4 | Du hast ja doch behauptet: ›Meine Darlegung ist richtig‹, und: ›Ich stehe unsträflich in deinen Augen da!‹ |
5 | Ach, möchte Gott doch reden und seine Lippen gegen dich auftun |
6 | und dir die verborgenen Tiefen der Weisheit offenbaren, daß sie allseitig an wahrem Wissen sind! Dann würdest du erkennen, daß Gott dir einen Teil deiner Sündenschuld noch zugute hält. |
7 | Kannst du den Urgrund der Gottheit erreichen oder bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen vordringen? |
8 | Himmelhoch ist sie – was kannst du denn erreichen? Tiefer als das Totenreich ist sie – wie weit reicht denn dein Wissen? |
9 | Länger als die Erde ist ihr Maß und breiter als das Meer. |
10 | Wenn er daherfährt und in Verhaft nimmt und zur Gerichtsverhandlung ruft – wer will ihm da wehren? |
11 | Denn er kennt die nichtswürdigen Leute und nimmt das Unrecht wahr, ohne besonderer Aufmerksamkeit zu bedürfen.« |
12 | »Da muß selbst ein Hohlkopf zu Verstand (oder: zur Besinnung) kommen und ein Wildeselfüllen zum Menschen umgeboren werden. |
13 | Wenn du nun dein Herz in die rechte Verfassung setzen und deine Hände zu ihm (d.h. zu Gott) ausbreiten wolltest – |
14 | klebt eine Schuld an deiner Hand, so entferne sie und laß in deinen Zelten kein Unrecht wohnen! –: |
15 | ja, dann könntest du dein Angesicht vorwurfsfrei erheben und würdest wie aus Erz gegossen (= unerschütterlich) dastehen, frei von aller Furcht; |
16 | ja, dann würdest du dein Leiden vergessen, würdest daran zurückdenken wie an Wasser, das sich verlaufen hat. |
17 | Heller als der Mittag würde das Leben dir aufgehen; mag auch einmal Dunkel dich umgeben, wie lichter Morgen würde es werden. |
18 | Du würdest dich dessen getrösten, daß noch Hoffnung vorhanden sei, und wenn du Umschau hieltest, getrost dich zum Schlafen niederlegen; |
19 | du würdest dich lagern, ohne von jemand aufgeschreckt zu werden, und viele würden sich um deine Gunst bemühen. |
20 | Dagegen die Augen der Frevler erlöschen: für sie ist jede Möglichkeit zum Entfliehen verloren, und ihre (einzige) Hoffnung ist – die Seele (= das Leben) auszuhauchen!« |
1 | Da antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Wahrhaftig, ihr seid das Volk (= vertretet die ganze Menschheit), und mit euch wird die Weisheit aussterben! |
3 | Ich besitze auch Verstand ebensogut wie ihr: ich stehe hinter euch nicht zurück; wem sollten auch derartige Dinge unbekannt sein? |
4 | Dem eigenen Freunde muß ich zum Spott dienen, ich, der ich vordem Gott angerufen und auch Erhörung gefunden habe! Zum Spott muß der Gerechte, der Fromme dienen! |
5 | Dem Unglück gebührt Verachtung nach der Ansicht des sich sicher Fühlenden: ein Stoß noch denen, deren Fuß bereits wankt! |
6 | In Ruhe liegen die Zelte von Gewalttätigen da, und in Sicherheit leben die, welche Gott Trotz bieten, ein jeder, der seinen Gott in seiner Faust führt.« |
7 | »Aber frage doch das Vieh, das wird dich’s lehren, und die Vögel des Himmels, die werden dir’s kundtun; |
8 | oder betrachte (den Wurm auf der) Erde, er wird dich’s lehren, und die Fische des Meeres werden dir’s bezeugen: |
9 | wer von diesen allen wüßte nicht, daß die Hand des HERRN diese Welt geschaffen hat, |
10 | er, in dessen Hand die Seele aller lebenden Geschöpfe liegt und der Odem eines jeden Menschenwesens? |
11 | Soll nicht das Ohr die Worte prüfen, gleichwie der Gaumen sich die Speisen kostend auswählt? |
12 | ›Bei den Greisen soll die Weisheit wohnen, und langes Leben Einsicht verleihen?‹ |
13 | Nein, bei ihm (d.h. bei Gott) wohnt Weisheit und Stärke, sein ist der Rat und die Einsicht!« |
14 | »Siehe, wenn er niederreißt, so wird nicht wieder aufgebaut; wen er einkerkert, dem wird nicht wieder aufgetan. |
15 | Siehe, wenn er die Wasser hemmt, so versiegen sie, und wenn er sie entfesselt, so wühlen sie die Erde um. |
16 | Bei ihm ist Kraft und vollkommenes Wissen: ihm fällt der Irrende wie der Irreführende in die Hände. |
17 | Er läßt Ratsherren als Barfüßige (= ihres Amtsschmucks entkleidet) hinwegziehen und erweist Richter als Toren; |
18 | die Zwingherrschaft von Königen löst er auf und schlingt ihnen einen Strick um die eigenen Hüften; |
19 | Priester führt er als Barfüßige (= ihres Amtsschmucks entkleidet) hinweg und bringt die im Amt Ergrauten zu Fall; |
20 | erprobten Wortführern entzieht er die Rede und benimmt den Greisen (= alten Ratsherren) das gesunde Urteil; |
21 | über Edle gießt er Schande aus und löst den Schwertgurt von Gewalthabern; |
22 | Tiefverborgenes enthüllt er aus dem Dunkel heraus und zieht finstere Nacht ans Licht hervor; |
23 | er läßt Völker groß aufwachsen und vernichtet sie wieder; er breitet Völker weit aus und läßt sie dann verschleppen; |
24 | er raubt den Volkshäuptern des Landes den Verstand und läßt sie umherirren in pfadloser Einöde, |
25 | daß sie in lichtloser Finsternis tappen, und er läßt sie umherirren (oder: taumeln) wie Trunkene.« |
1 | »Seht, dies alles hat mein Auge gesehen, hat mein Ohr gehört und es sich gemerkt. |
2 | Soviel ihr wißt, weiß ich auch: ich stehe hinter euch nicht zurück. |
3 | Doch ich will zum Allmächtigen reden und trage Verlangen, mich mit Gott auseinanderzusetzen. |
4 | Ihr dagegen seid nur Lügenschmiede, Pfuscherärzte allesamt. |
5 | O wolltet ihr doch ganz stille schweigen: das würde euch als Weisheit angerechnet werden. |
6 | Hört doch meine Rechtfertigung an und achtet auf die Entgegnungen meiner Lippen! |
7 | Wollt ihr Gott zur Ehre Lügen reden und ihm zuliebe Trug vorbringen? |
8 | Wollt ihr Parteilichkeit zu seinen Gunsten üben oder Gottes Sachwalter (= Rechtsbeistand) spielen? |
9 | Würde es gut für euch ablaufen, wenn er euch ins Verhör nimmt, oder könnt ihr ihn narren, wie man Menschen narrt? |
10 | Mit aller Strenge wird er euch strafen, wenn ihr im geheimen (= hinterhältig) Partei (für ihn) ergreift. |
11 | Wird nicht sein bloßes Sich-Erheben euch fassungslos machen und Schrecken vor ihm euch befallen? |
12 | Eure Denksprüche sind Sprüche so lose wie Asche, eure Schanzen erweisen sich als Schanzen von Lehm!« |
| Hiob tritt in diesen Rechtsstreit zuversichtlich ein, vorausgesetzt daß Gott ihm die erforderliche Rücksicht durch Fernhalten seines Schreckens gewähren wollte |
13 | »So schweigt denn vor mir still: ich will reden, es mag über mich hereinfahren, was da will! |
14 | Warum sollte ich mein Fleisch in meinen Zähnen forttragen und meine Seele (= mein Leben) in meine offene Hand legen? |
15 | Er wird mich ja doch töten, ich habe auf nichts mehr zu hoffen; nur meinen bisherigen Wandel will ich offen vor ihm darlegen. |
16 | Schon das muß mir zugute kommen, denn kein Heuchler darf ihm vor die Augen treten. |
17 | So hört denn meine Rede aufmerksam an und laßt meine Darlegung in euer Ohr dringen! |
18 | Seht doch: ich bin zum Rechtsstreit gerüstet! Ich weiß, daß ich, ja ich, recht behalten werde. |
19 | Wer ist es, der mit mir rechten dürfte? Denn in diesem Fall wollte ich lieber verstummen und den Tod erleiden! |
20 | Nur zweierlei tu mir dabei nicht an (o Gott), dann will ich mich vor deinem Angesicht nicht verbergen: |
21 | ziehe deine Hand von mir zurück und laß deine schreckliche Erscheinung mich nicht ängstigen! |
22 | Dann rufe mich (oder: lade mich vor), so will ich mich verantworten; oder ich will reden, und du entgegne mir!« |
| In der Hoffnung darauf legt er Gott schon jetzt die Frage nach seiner Schuld vor |
23 | »Wie viele Übertretungen und Missetaten habe ich (begangen)? Meine Übertretung und meine Sünde laß mich wissen! |
24 | Warum verbirgst du dein Angesicht vor mir und siehst in mir deinen Feind? |
25 | Willst du ein verwehtes Blatt noch aufschrecken und einem dürren Strohhalm noch nachjagen, |
26 | daß du mir so bittere Arzneien verschreibst und mich sogar die Verfehlungen meiner Jugend büßen läßt? |
27 | Daß du meine Füße in den Block legst und alle meine Pfade überwachst, meinen Füßen jede freie Bewegung entziehst, |
28 | mir, einem Manne, der wie ein vom Wurm zerfressenes Gerät zerfällt, wie ein Kleid, das die Motten zernagt haben?« |
| Das menschliche Leben ist kurz und dabei voller Mühsal; warum läßt Gott es nicht in Ruhe verlaufen? |
1 | »Der Mensch, von der Frau geboren, ist arm an Lebenszeit, aber überreich an Unruhe: |
2 | wie eine Blume sprießt er auf und verwelkt, er flieht wie ein Schatten dahin und hat keinen Bestand. |
3 | Dennoch hältst du über einem solchen (Wesen) deine Augen offen und ziehst ihn vor deinen Richterstuhl! |
4 | Wie könnte wohl ein Reiner von Unreinen herkommen? nein, nicht ein einziger. |
5 | Wenn denn seine Tage genau bemessen sind, wenn die Zahl seiner Monde bei dir feststeht und du ihm eine Grenze gesetzt hast, die er nicht überschreiten darf, |
6 | so wende doch deine Blicke von ihm weg, damit er Ruhe habe, bis er wie ein Tagelöhner mit Befriedigung auf seinen Tag hinblicken kann!« |
| Für den Menschen gibt es nach dem Tode keine Hoffnung, keine Zukunft mehr |
7 | »Denn für einen Baum bleibt eine Hoffnung bestehen: wird er abgehauen, so schlägt er von neuem aus, und seine Schößlinge hören nicht auf. |
8 | Wenn auch seine Wurzel in der Erde altert und sein Stumpf im Boden abstirbt, |
9 | so treibt er doch vom Duft (= Dunst) des Wassers neue Sprossen und bringt Zweige hervor wie ein junges Reis. |
10 | Wenn aber ein Mann stirbt, so liegt er hingestreckt da, und wenn ein Mensch verscheidet, wo ist er dann? |
11 | Wie das Wasser aus einem Teich verdunstet und ein Strom versiegt und austrocknet, |
12 | so legt der Mensch sich nieder und steht nicht wieder auf: bis der Himmel nicht mehr ist, erwachen sie nicht wieder und werden aus ihrem Schlaf nicht aufgerüttelt.« |
| Hiob kann wegen des Zustandes der Verstorbenen im Totenreich keine Hoffnung auf Auferstehung, auf Rechtfertigung und Glück haben, denn mit dem Tode ist alles Erfreuliche zu Ende |
13 | »O wenn du mich doch im Totenreiche verwahrtest, mich dort verbergen wolltest, bis dein Zorn sich gelegt hätte, mir eine Frist bestimmtest und dann meiner gedächtest! |
14 | Doch wenn der Mensch gestorben ist – kann er wohl wieder aufleben? Dann wollte ich alle Tage meines Frondienstes (oder: Leidenskampfes) harren, bis die Ablösung für mich käme: |
15 | dann würdest du rufen und ich gäbe dir Antwort; nach dem Werk deiner Hände würdest du Verlangen tragen; |
16 | ja, dann würdest du meine Schritte sorglich zählen, über einen Fehltritt von mir kein strenger Wächter sein; |
17 | nein, versiegelt würde meine Übertretung in einem Bündel (oder: im Beutel) liegen, und meine Schuld hättest du verklebt (= würdest du unbeachtet lassen). |
18 | Doch nein – Berge stürzen in sich zusammen, und Felsen werden von ihrer Stelle weggerückt, |
19 | Steine höhlt das Wasser aus, und seine Güsse schwemmen das Erdreich weg: so machst du auch die Hoffnung des Menschen zunichte. |
20 | Du überwältigst ihn auf ewig, und er muß davon; sein Antlitz entstellend, läßt du ihn dahinfahren. |
21 | Gelangen seine Kinder zu Ehren – er weiß nichts davon; und sinken sie in Schande hinab – er achtet nicht auf sie. |
22 | Nur seines eigenen Leibes Schmerzen fühlt er, und nur um sich selbst empfindet seine Seele Trauer.« |
| III. Zweiter Gesprächsgang (Kap. 15-21) |
1 | Da nahm Eliphas von Theman das Wort und sagte: |
2 | »Wird wohl ein Weiser windiges Wissen als Antwort vortragen und seine Lunge mit (bloßem) Ostwind blähen, |
3 | um sich mit Reden zu verantworten, die nichts taugen, und mit Worten, durch die er nichts nützt? |
4 | Dazu vernichtest du die fromme Scheu und tust der Andachtsstille Abbruch, die Gott gebührt; |
5 | denn dein Schuldbewußtsein macht deinen Mund beredt, und du wählst die Sprache der Verschmitzten. |
6 | Dein eigener Mund verurteilt dich, nicht ich, und deine eigenen Lippen zeugen gegen dich. |
7 | Bist du etwa als erster der Menschen geboren und noch vor den Bergen auf die Welt gekommen? |
8 | Hast du im Rate (= in der Ratssitzung) Gottes als Zuhörer gelauscht und dort die Weisheit an dich gerissen? |
9 | Was weißt du denn, das wir nicht auch wüßten? was verstehst du, das uns nicht auch bekannt wäre? |
10 | Auch unter uns sind Ergraute, sind Weißköpfe, reicher noch als dein Vater an Lebenstagen. |
11 | Sind dir die Tröstungen Gottes minderwertig, und gilt ein Wort der Sanftmut nichts bei dir? |
12 | Was reißt deine Leidenschaft dich fort, und was rollen (oder: zwinkern) deine Augen, |
13 | daß du gegen Gott deine Wut richtest und (solche) Reden deinem Mund entfahren läßt? |
14 | Was ist der Mensch, daß er rein sein könnte, und der von der Frau Geborene, daß er als gerecht dastände? |
15 | Bedenke doch: selbst seinen heiligen (Engeln) traut er nicht, und nicht einmal der Himmel ist rein in seinen Augen: |
16 | geschweige denn der Abscheuliche und Entartete, der Mensch, dem Unrechttun wie Wassertrinken ist!« |
17 | »Ich will dich unterweisen: höre mir zu; und was ich gesehen habe, will ich berichten, |
18 | was die Weisen von ihren Vätern überkommen und ohne Hehl verkündigt haben – |
19 | ihnen war noch allein das Land übergeben, und noch kein Fremder war unter ihnen umhergezogen –: |
20 | ›Sein ganzes Leben lang muß der Frevler sich ängstigen, und zwar alle die Jahre hindurch, die dem Gewalttätigen beschieden sind. |
21 | Schreckensrufe dringen ihm laut ins Ohr; mitten im ruhigen Glück überfällt ihn der Verderber; |
22 | er hegt keine Zuversicht, aus der Finsternis wieder herauszukommen, und ist (in seiner Angst) für das Schwert ausersehen. |
23 | Er irrt nach Brot umher – wo findet er’s? Er weiß, daß durch ihn (d.h. Gott) der Tag des Verderbens festgesetzt ist. |
24 | Angst und Bangigkeit schrecken ihn: sie überwältigen ihn wie ein König, der zum Sturm gerüstet ist. |
25 | Weil er seine Hand gegen Gott erhoben und dem Allmächtigen Trotz geboten hat – |
26 | er stürmte gegen ihn an mit emporgerecktem Halse, mit den dichten Buckeln seiner Schilde – |
27 | weil er sein Gesicht von Fett hatte strotzen lassen und Schmer an seinen Lenden angesetzt |
28 | und sich in gebannten Städten angesiedelt hatte, in Häusern, die unbewohnt bleiben sollten, die zu Trümmerhaufen bestimmt waren: |
29 | so bringt er’s nicht zu Reichtum, und sein Wohlstand hat keinen Bestand, und seine Sichel (oder: Ähre = sein Besitz) neigt sich nicht zur Erde. |
30 | Er kommt nicht aus der Finsternis heraus; seine Schößlinge versengt die Gluthitze, und er selbst vergeht durch den Zornhauch des Mundes Gottes. |
31 | Er verlasse sich nicht auf Trug: er täuscht sich nur; denn Trug wird auch das sein, was er durch seinen eigenen (Trug) erzielt: |
32 | ehe noch seine Zeit da ist, erfüllt sich sein Geschick, während sein Wipfel noch nicht gegrünt hat. |
33 | Wie der Weinstock stößt er seine Beeren unreif ab und läßt wie der Ölbaum seine Blüten abfallen. |
34 | Denn die Rotte des Frevlers bleibt ohne Frucht, und Feuer verzehrt die Zelte der Bestechung (= der Bestechlichen). |
35 | Mit Unheil gehen sie schwanger und gebären Frevel, und ihr Inneres (oder: Schoß) bringt nur Selbsttäuschung zutage.‹« |
1 | Darauf antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Dergleichen habe ich nun schon vieles gehört: leidige (oder: elende) Tröster seid ihr allesamt! |
3 | Haben die windigen Reden nun ein Ende? Oder was drängt dich dazu, mir noch weiter zu erwidern? |
4 | Auch ich könnte reden wie ihr – o wärt ihr nur an meiner Stelle! –, ich würde (aber) freundliche Worte gegen euch aufbringen und beifällig mit dem Kopf euch zunicken; |
5 | ich wollte euch mit meinem Mund Mut zusprechen, und das Beileid meiner Lippen sollte euch Trost bringen!« |
6 | »Wenn ich rede, wird mein Schmerz nicht gelindert, und wenn ich’s unterlasse – um was werde ich erleichtert? |
7 | Doch nunmehr hat er (d.h. Gott) meine Kraft erschöpft! Verwüstet hast du meinen ganzen Hausstand (oder: Freundeskreis) |
8 | und hast mich gepackt; das muß als Zeugnis gegen mich gelten, und mein Siechtum (oder: meine Verlassenheit) tritt gegen mich auf, klagt mich ins Angesicht an. |
9 | Sein Zorn hat mich zerfleischt und befeindet; er hat mit den Zähnen gegen mich geknirscht; als mein Gegner wirft er mir durchbohrende Blicke zu. |
10 | Ihr Maul haben sie gegen mich aufgerissen, unter Schmähung mir Faustschläge ins Gesicht versetzt; zusammen hat man sich vollzählig gegen mich aufgestellt. |
11 | Gott hat mich Bösewichten preisgegeben und mich in die Hände von Frevlern fallen lassen. |
12 | In Frieden lebte ich, da schreckte er mich auf, faßte mich beim Genick und schmetterte mich nieder und ließ mich nur wieder aufstehen, damit ich ihm als Zielscheibe diente: |
13 | seine Pfeile umschwirren mich, er durchbohrt mir die Nieren erbarmungslos, läßt mein Herzblut zur Erde fließen. |
14 | Er schlägt mir Wunde auf Wunde, stürmt gegen mich an wie ein wilder Krieger. |
15 | Das Trauergewand habe ich mir um den krustigen Leib geheftet und mein Horn tief in den Staub hineingebohrt. |
16 | Mein Gesicht ist vom Weinen hochgerötet, und auf meinen Augenlidern lagert Todesschatten, |
17 | obwohl keine Schuld an meinen Händen klebt und mein Gebet aufrichtig ist.« |
18 | »O Erde, decke mein Blut nicht zu, und mein Wehgeschrei finde keine Ruhestatt! |
19 | Schon jetzt – wisset es wohl! – ist ein Zeuge für mich im Himmel vorhanden und mein Bürge (oder: Eideshelfer) in der Höhe. |
20 | Meine Freunde verhöhnen mich – zu Gott blickt mein Auge tränenvoll empor, |
21 | daß er dem Mann (oder: Sterblichen) Recht schaffe Gott gegenüber und zwischen dem Menschen und seinem Freunde entscheide. |
22 | Denn nur noch wenige Jahre werden kommen, dann werde ich den Pfad wandeln, auf dem es keine Rückkehr für mich gibt. |
1 | Meine Lebenskraft ist gebrochen, meine Tage sind erloschen; nur die Gräberstätte (= der Friedhof) wartet meiner noch!« |
2 | »Wahrlich, der Spott treibt sein Spiel mit mir, und mein Auge muß auf ihren Beleidigungen weilen! |
3 | O setze doch das Pfand ein, verbürge dich doch für mich bei dir selbst! Wer sollte sonst als Bürge mir den Handschlag leisten? |
4 | Denn ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen; darum kannst du sie auch nicht obsiegen (= triumphieren) lassen. |
5 | Wenn jemand seine Freunde verrät, um etwas von ihrem Besitz an sich zu bringen, so werden die Augen seiner Kinder dafür verschmachten. |
6 | Und mich hat er (d.h. Gott) für alle Welt zum Gespött gemacht, und ich muß mir ins Angesicht speien lassen; |
7 | da ist mein Auge vor Gram erloschen, und alle meine Glieder sind nur noch wie ein Schatten. |
8 | Darüber entsetzen sich die Rechtschaffenen, und der Unschuldige gerät in Empörung über den Ruchlosen. |
9 | Doch der Gerechte soll (oder: wird) an seinem Wege festhalten, und wer reine Hände hat, soll (oder: wird) an Kraft noch zunehmen.« |
10 | »Ihr alle aber, kommt immerhin aufs neue heran: ich werde doch keinen Weisen unter euch finden. |
11 | Meine Tage sind abgelaufen, meine Pläne vereitelt, die Bestrebungen meines Herzens! |
12 | Die Nacht wollen sie zum Tage machen: das Licht soll mir näher sein als die Finsternis! |
13 | Wenn ich schon das Totenreich als meine Behausung erwarte, in der Finsternis mir mein Lager schon ausgebreitet habe, |
14 | wenn ich dem Grabe bereits zugerufen habe: ›Mein Vater bist du!‹ und dem Gewürm: ›Meine Mutter und meine Schwester!‹ – |
15 | wo ist da noch eine Hoffnung für mich? Ja, eine Hoffnung für mich – wer mag sie erschauen? |
16 | Zu den Riegeln (= Toren, Pforten) des Totenreichs fährt sie (die Hoffnung) hinab, wenn zugleich (für den Leib) im Staube (= Grabe) Ruhe sein wird.« |
1 | Da nahm Bildad von Suah das Wort und sagte: |
2 | »Wie lange wollt ihr noch Jagd auf (bloße) Worte machen? Nehmt Verstand an: dann wollen wir reden! |
3 | Warum werden wir den vernunftlosen Tieren gleichgeachtet, von euch als vernagelt (oder: stockdumm) angesehen? |
4 | Du, der in seinem Zorn sich selbst zerfleischt – soll um deinetwillen die Erde menschenleer werden und der Fels von seiner Stelle wegrücken?« |
5 | »Jawohl, das Licht des Frevlers wird erlöschen und die Flamme seines Herdfeuers nicht mehr leuchten; |
6 | das Licht wird dunkel werden in seinem Zelt, und seine Leuchte erlischt über ihm; |
7 | seine sonst so rüstigen Schritte werden kurz, und seine eigenen Anschläge bringen ihn zu Fall; |
8 | denn er wird von seinen eigenen Füßen ins Netz getrieben, und auf Fallgittern wandelt er dahin. |
9 | Die Schlinge erfaßt seine Ferse, der Fallstrick hält ihn fest; |
10 | am Boden liegt das Fanggarn für ihn verborgen, und die Falle wartet seiner auf dem Pfade. |
11 | Ringsum ängstigen ihn Schrecknisse und hetzen ihn auf Schritt und Tritt. |
12 | Das ihm bestimmte Unheil hungert nach ihm, und das Verderben steht zu seinem Sturz bereit. |
13 | Es frißt die Glieder seines Leibes, es frißt seine Glieder der erstgeborene Sohn des Todes. |
14 | Herausgerissen wird er aus seinem Zelt, wo er sich sicher fühlte, und es treibt ihn hin zum König der Schrecken. |
15 | In seinem Zelt haust eine Bewohnerschaft, die nicht zu ihm gehört; Schwefel wird auf seine Wohnstätte gestreut. |
16 | Unten verdorren seine Wurzeln, und oben verwelken seine Zweige. |
17 | Das Andenken an ihn verschwindet von der Erde (oder: aus dem Lande), und kein Name verbleibt ihm draußen weit und breit; |
18 | er (d.h. Gott) stößt ihn aus dem Licht in die Finsternis hinaus und verjagt ihn vom Erdenrund. |
19 | Nicht Sproß noch Schoß (= kein Sohn und kein Enkel) bleibt ihm in seinem Volk erhalten, und kein Überlebender findet sich in seinen Wohnsitzen. |
20 | Ob seinem Gerichtstage (d.h. Endgeschick) schaudern die im Westen Wohnenden, und die Leute im Osten erfaßt Entsetzen. |
21 | Ja, so ergeht es den Wohnungen (= dem Heim) des Frevlers und so der Stätte des Gottesverächters!« |
1 | Da antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Wie lange wollt ihr mein Herz noch betrüben und mich mit Reden martern? |
3 | Schon zehnmal habt ihr mich geschmäht; ihr schämt euch nicht, mir wehzutun! |
4 | Und hätte ich mich wirklich verfehlt, so wäre doch meine Verfehlung meine eigene Sache. |
5 | Wollt ihr wirklich gegen mich großtun (= über mich triumphieren), so erbringt mir den Beweis für das mich Beschämende! |
6 | Erkennt doch, daß Gott mir unrecht getan und mich mit seinem Fangnetz rings umgarnt hat!« |
7 | »Seht: schreie ich über Gewalttat, so finde ich keine Erhörung; rufe ich um Hilfe, so gibt es keinen Rechtsspruch. |
8 | Den Weg hat er mir vermauert, so daß ich nicht weiterschreiten kann, und über meine Pfade hat er Finsternis ausgebreitet. |
9 | Meiner Ehre hat er mich entkleidet und die Krone mir vom Haupte weggenommen. |
10 | Er hat mich niedergerissen um und um, so daß es aus mit mir ist, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. |
11 | Er hat seinen Zorn gegen mich lodern lassen und mich seinen Feinden gleichgeachtet. |
12 | Allzumal sind seine Kriegerscharen herangerückt, haben sich einen Weg zum Angriff gegen mich aufgeschüttet und sich rings um mein Zelt her gelagert. |
13 | Meine Brüder haben sich fern von mir gehalten, und meine Bekannten sind mir ganz entfremdet; |
14 | meine Verwandten bleiben weg, und meine vertrauten Freunde haben mich vergessen; |
15 | meine Hausgenossen und selbst meine Mägde sehen in mir einen Fremden: ein Unbekannter bin ich in ihren Augen geworden. |
16 | Rufe ich meinen Knecht, so antwortet er mir nicht: ich muß ihn anflehen und ihm gute Worte geben. |
17 | Mein Atem ist meiner Frau zuwider und mein übler Geruch meinen leiblichen Brüdern. |
18 | Selbst die Buben mißachten mich: mache ich (vergebliche) Versuche zum Aufstehen, so verspotten sie mich. |
19 | Allen meinen Vertrauten ekelt vor mir, und die ich liebgehabt habe, stehen mir feindlich gegenüber. |
20 | An meiner Haut und meinem Fleisch kleben meine Knochen, und von meinen Zähnen habe ich nur die Haut übrigbehalten.« |
21 | »Habt Mitleid, habt Mitleid mit mir, ihr meine Freunde! Denn Gottes Hand hat mich schwer getroffen. |
22 | Warum verfolgt ihr mich ebenso wie Gott und werdet nicht satt, mich zu zerfleischen? |
23 | O daß doch meine Worte aufgeschrieben, o daß sie in ein Buch eingetragen würden, |
24 | mit eisernem Griffel in Blei eingegraben, auf ewig in den Felsen eingehauen würden! |
25 | Ich aber, ich weiß, daß mein Löser (oder: Erretter = Rechtsbeistand) lebt und als letzter auf dem Staube (d.h. hier auf der Erde) auftreten wird; |
26 | und danach werde ich, mag jetzt auch meine Haut so ganz zerfetzt und ich meines Fleisches ledig (oder: beraubt) sein, Gott schauen, |
27 | den ich schauen werde mir zum Heil und den meine Augen sehen werden, und zwar nicht mehr als einen Entfremdeten (= Gegner), ihn, um den sich mir das Herz in der Brust abgehärmt hat. |
28 | Wenn ihr aber sagt: ›Wie wollen wir ihn verfolgen!‹ und ›der letzte Grund der Sache (d.h. meiner Leiden) sei in mir selbst zu finden‹, |
29 | so fürchtet euch vor dem Schwert – denn derartige Verschuldungen verdienen die Strafe des Schwertes –, damit ihr erkennt, daß es noch ein Gericht gibt!« |
1 | Nun nahm Zophar von Naama das Wort und sagte: |
2 | »Eben darum veranlassen meine Gedanken mich zu einer Antwort, und eben deswegen bin ich innerlich erregt: |
3 | eine mich beschimpfende Zurechtweisung muß ich hören! Doch der Geist gibt mir eine Antwort aus meiner Einsicht ein.« |
4 | »Kennst du nicht die Wahrheit von alters her, seitdem der Mensch seinen Wohnsitz auf der Erde hat, |
5 | daß das Frohlocken der Frevler von kurzer Dauer ist und die Freude der Ruchlosen nur einen Augenblick währt? |
6 | Sollte auch sein Dünkel sich bis zum Himmel erheben und sein Haupt bis an die Wolken reichen, |
7 | so vergeht er doch wie sein Unrat für immer, und die ihn gekannt haben, werden fragen: ›Wo ist er geblieben?‹ |
8 | Wie ein Traum verfliegt er, so daß man ihn nicht mehr findet, und er wird hinweggescheucht wie ein Nachtgesicht: |
9 | das Auge, das ihn gesehen, erblickt ihn nimmer wieder, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr. |
10 | Seine Söhne müssen die (durch ihn) Verarmten mit Bitten beschwichtigen und seine eigenen Hände (oder: seine Kinder) sein Vermögen wieder herausgeben. |
11 | Mögen auch seine Glieder von Jugendkraft strotzen: sie muß sich doch mit ihm in den Staub legen. |
12 | Mag das Böse auch seinem Mund süß schmecken, so daß er es lange unter seiner Zunge birgt, |
13 | daß er es schonend hegt und es nicht fahren lassen will, sondern es an seinem Gaumen zurückhält, |
14 | so verwandelt sich doch seine Speise in seinen Eingeweiden: zu Otterngalle wird sie in seinem Leibe. |
15 | Den Reichtum, den er verschlungen hat, muß er wieder ausspeien: aus seinem Bauche treibt Gott ihn wieder heraus. |
16 | Otterngift hat er eingesogen: nun gibt ihm die Zunge der Viper den Tod. |
17 | Nicht darf er seine Lust mehr sehen an den Bächen, an den wogenden Strömen von Honig und Sahne. |
18 | Das Erraffte muß er wieder herausgeben, ohne es verschlucken zu können; wieviel Gut er auch erworben hat, er darf nicht frohlocken (oder: er findet kein Ergötzen daran). |
19 | Denn er hat die Armen niedergeschlagen und hilflos verkommen lassen, hat Häuser an sich gerissen, wird sie aber nicht häuslich einrichten dürfen; |
20 | denn er kannte keine Befriedigung in seiner Gier: darum wird er auch von seinen Kostbarkeiten nichts davonbringen. |
21 | Nichts entging seinem Fressen (= seiner unersättlichen Gier): darum hat sein Wohlstand keine Dauer. |
22 | In der Fülle seines Überflusses wird ihm enge: die ganze Gewalt des Unheils kommt über ihn. |
23 | Da entfesselt Gott dann, um ihm den Bauch zu füllen, seine Zornesglut gegen ihn und läßt sie als seine Speise auf ihn regnen. |
24 | Flieht er vor der eisernen Rüstung, so durchbohrt ihn der eherne Bogen; |
25 | er zieht den Pfeil heraus, da fährt’s aus seinem Rücken hervor: ein Blutstrahl schießt aus seiner Galle (= seinem Herzen), Todesschrecken brechen über ihn herein. |
26 | Alles Unheil ist seinen Schätzen aufgespart: ein Feuer, das nicht (von Menschen) angefacht ist, frißt sie und verzehrt, was in seinem Zelt noch übriggeblieben ist. |
27 | Der Himmel deckt Sündenschuld auf, und die Erde erhebt sich gegen ihn. |
28 | Was in seinem Hause zusammengescharrt liegt, wird weggeschleppt, zerrinnt (wie Wasser) am Tage des göttlichen Zorngerichts. |
29 | Das ist des ruchlosen Menschen Teil (oder: Schicksalslos) von seiten Gottes und das vom Allherrn ihm zugesprochene Erbe.« |
1 | Darauf antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Hört, o höret an, was ich zu sagen habe! Das soll mir eure Tröstungen ersetzen! |
3 | Erlaubt mir, daß ich rede, und nachdem ich gesprochen habe, magst du es bespötteln! |
4 | Richtet sich meine Klage etwa gegen Menschen? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig werden? |
5 | Wendet euch her zu mir, so werdet ihr euch entsetzen und euch die Hand auf den Mund legen! |
6 | Wenn ich bloß daran denke, gerate ich in Bestürzung, und ein Schauder überläuft meinen Leib!« |
7 | »Warum bleiben die Frevler am Leben, werden alt, nehmen sogar an Kraft zu? |
8 | Ihr Nachwuchs steht bei fester Gesundheit vor ihnen, ja neben ihnen, und deren Sprößlinge vor ihren Augen. |
9 | Ihre Häuser stehen ungefährdet da, ohne Furcht vor Schrecknis, und Gottes Zuchtrute fährt nicht auf sie nieder. |
10 | Sein Stier belegt und befruchtet sicher, seine Kuh kalbt leicht und tut keine Fehlgeburt. |
11 | Ihre Buben lassen sie wie eine Herde Lämmer ausziehen, und ihre kleineren Kinder hüpfen tanzend umher; |
12 | sie singen laut zur Pauke und Zither und sind vergnügt beim Klang der Schalmei. |
13 | Sie verbringen im Wohlergehen ihre Tage und fahren in Ruhe zum Totenreich hinab (= erleiden einen schmerzlosen Tod). |
14 | Und doch haben sie zu Gott gesagt: ›Bleibe fern von uns; denn nach der Erkenntnis deiner Wege tragen wir kein Verlangen. |
15 | Was ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen sollten? Und könnte es uns nützen, daß wir ihn mit Bitten angehen?‹« |
16 | »Seht, ihr Wohlergehen liegt allerdings nicht in ihrer Hand – die Denkweise der Frevler steht mir fern! –, |
17 | aber wie oft kommt es denn vor, daß die Leuchte der Frevler erlischt und ihr Verderben über sie hereinbricht? Daß Gott ihnen die Lose gemäß seinem Zorn zuteilt? |
18 | Daß es ihnen ergeht wie dem Strohhalm vor dem Wind und wie der Spreu, die der Sturm entführt hat? |
19 | ›Gott spart‹, sagt ihr, ›sein Unheil für die Kinder des Frevlers auf‹ – doch ihm selber sollte er vergelten, daß er es fühlte! |
20 | Sehen müßten seine eigenen Augen das Verderben, und er selbst sollte von der Zornglut des Allmächtigen trinken! |
21 | Denn was wird er sich noch um seine Familie nach seinem Tode kümmern, nachdem die Zahl seiner Monde abgeschnitten (= zu Ende) ist? |
22 | Doch – darf man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der die himmlischen (Geister) richtet? |
23 | Der eine stirbt im Vollbesitz des Glücks, ganz sorgenfrei und in Ruhe: |
24 | seine Kufen sind mit Milch gefüllt, und so ist das Mark in seinen Knochen wohlversorgt; |
25 | der andere aber stirbt in bitterem Herzeleid, ohne je vom Glück etwas geschmeckt zu haben: |
26 | gleicherweise liegen sie in der Erde, und Gewürm legt sich als Decke über beide.« |
27 | »Seht, ich kenne eure Gedanken wohl und die Anschläge, mit denen ihr mir Gewalt antut. |
28 | Wenn ihr sagt: ›Wo ist das Haus des Gewaltmenschen geblieben und wo das Zelt, in welchem die Frevler wohnten?‹ – |
29 | habt ihr euch denn noch nie bei den weitgereisten (oder: des Wegs vorüberziehenden) Leuten erkundigt, deren beweiskräftige Aussagen ihr doch nicht verwerfen könnt: |
30 | daß am Unglückstage der Böse verschont bleibt und am Tage des (göttlichen) Zorngerichts heil davonkommt? |
31 | Wer hält ihm auch nur seinen Lebenswandel unverhohlen vor? Und hat er etwas verübt, wer vergilt es ihm? |
32 | Nein, man gibt ihm noch das feierliche Geleit zur Gräberstätte und hält über seinem Grabhügel noch Wache. |
33 | Sanft liegen auf ihm die Schollen des Tales, und hinter ihm her zieht alle Welt, wie Unzählige ihm vorangegangen sind. |
34 | Wie mögt ihr mir da so nichtigen Trost bieten? Und eure Entgegnungen – von denen bleibt nur Treubruch übrig!« |
| IV. Dritter Gesprächsgang (Kap. 22-26) |
1 | Da nahm Eliphas von Theman das Wort und sagte: |
2 | »Kann wohl ein Mensch Gott Nutzen schaffen? Nein, nur sich selbst nützt der Fromme (oder: Verständige). |
3 | Hat der Allmächtige Vorteil davon, wenn du rechtschaffen bist? Oder bringt es ihm Gewinn, wenn du unsträflich wandelst? |
4 | Meinst du, wegen deiner Gottesfurcht strafe er dich und gehe deshalb mit dir ins Gericht? |
5 | Ist nicht vielmehr deine Bosheit groß, und sind nicht deine Verschuldungen ohne Ende?« |
6 | »Denn oftmals hast du deine Volksgenossen ohne Grund gepfändet und den Halbnackten ihre Kleider ausziehen lassen; |
7 | dem vor Durst Lechzenden hast du keinen Trunk Wasser gereicht und dem Hungrigen ein Stück Brot versagt. |
8 | Dem Mann der Faust – ihm gehörte das Land, und nur die Hochangesehenen durften darin wohnen. |
9 | Witwen ließest du mit leeren Händen gehen, und alles, was den Waisen zu Gebote stand, wurde zugrunde gerichtet. |
10 | Darum bist du jetzt rings von Schlingen umgeben, und jäher Schrecken versetzt dich in Angst; |
11 | dein Licht ist Finsternis geworden, so daß du nicht sehen kannst, und eine Wasserflut bedeckt dich.« |
12 | »Ist Gott nicht so hoch wie der Himmel? Und schaue den Gipfel der Sterne an, wie hoch sie ragen! |
13 | Und da sagst du: ›Was weiß denn Gott? Kann er durch Wolkendunkel hindurch Gericht halten? |
14 | Dichte Wolken sind ihm eine Hülle, so daß er nichts sehen kann, und nur die Räume des Himmelsgewölbes durchwandelt er.‹ |
15 | Willst du die Bahn der Vorwelt innehalten, auf der die Männer des Frevels einst gewandelt sind? |
16 | Sie, die vor der Zeit weggerafft wurden – der feste Boden unter ihnen zerfloß zu einem Strom –; |
17 | die zu Gott sagten: ›Bleibe fern von uns!‹ und ›was der Allmächtige ihnen antun könne?‹ |
18 | Und doch hatte er ihre Häuser mit Segen gefüllt. Aber die Denkweise der Frevler bleibe fern von mir! |
19 | Die Gerechten sehen es und freuen sich, und der Schuldlose ruft ihnen spottend zu: |
20 | ›Fürwahr, unsere Widersacher sind vernichtet, und ihre Hinterlassenschaft (oder: den letzten Rest von ihnen) hat das Feuer verzehrt!‹« |
21 | »Befreunde dich doch mit Gott und halte Frieden mit ihm! Dadurch wird dein Geschick sich heilsam gestalten. |
22 | Nimm doch Belehrung aus seinem Mund an und laß seine Worte in deinem Herzen wohnen (oder: dir zu Herzen gehen)! |
23 | Wenn du dich zum Allmächtigen bekehrst (= wieder hinwendest), so wirst du wieder aufgebaut (= in Wohlstand versetzt) werden; wenn du die Sünde aus deinen Zelten entfernst – |
24 | ja, wirf das Golderz von dir in den Staub und Ophirs Gold unter die Kiesel der Bäche, |
25 | daß der Allmächtige dein Golderz ist (oder: darstellt) und Silber dir sein Gesetz –: |
26 | ja, dann wirst du dich auf den Allmächtigen getrost verlassen und zu Gott dein Angesicht vertrauensvoll erheben. |
27 | Flehst du zu ihm, so wird er dich erhören, und deine Gelübde wirst du bezahlen können; |
28 | nimmst du dir etwas vor, so wird es dir gelingen, und Licht wird über deinen Wegen strahlen. |
29 | Wenn sie abwärts führen, so rufst du: ›Empor!‹, und dem Niedergeschlagenen hilft er auf. |
30 | Selbst den Nichtschuldlosen wird er entkommen lassen, und zwar wird er durch die Reinheit deiner Hände entkommen.« |
1 | Da antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Auch jetzt noch gilt meine Klage euch als Trotz: schwer lastet seine Hand auf meinem Seufzen. |
3 | O daß ich ihn zu finden wüßte, daß ich gelangen könnte bis zu seiner Wohnstätte (oder: vor seinen Richterstuhl)! |
4 | Ich wollte meine Sache vor ihm darlegen und meinen Mund mit Beweisgründen füllen; |
5 | ich erführe dann, was er mir entgegnete, und würde vernehmen, was er mir zu sagen hat. |
6 | Würde er dann wohl mit der ganzen Fülle seiner Macht mit mir streiten? Nein, nur seine Aufmerksamkeit würde er mir zuwenden. |
7 | Da würde sich dann ein Rechtschaffener vor ihm verantworten, und für immer würde ich von meinem Richter freikommen. |
8 | Doch ach! Gehe ich nach Osten, so ist er nicht da, und gehe ich nach Westen, so gewahre ich ihn nicht; |
9 | wirkt er im Norden, so erblicke ich ihn nicht, biegt er nach Süden ab, so sehe ich ihn nicht. |
10 | Er kennt ja doch den von mir eingehaltenen Weg (= Wandel), und prüfte er mich – wie Gold aus der Schmelze würde ich hervorgehen! |
11 | Denn an seine Spur hat mein Fuß sich angeschlossen; den von ihm gewiesenen Weg habe ich eingehalten, ohne davon abzuweichen; |
12 | von dem Gebot seiner Lippen bin ich nicht abgegangen: in meinem Busen habe ich die Weisungen seines Mundes geborgen. |
13 | Doch er bleibt sich immer gleich – wer kann ihm wehren? und was sein Sinn einmal will, das führt er auch aus. |
14 | So wird er denn auch vollführen, was er mir bestimmt hat, und dergleichen hat er noch vieles im Sinn. |
15 | Darum bebe ich vor seinem Anblick: überdenke ich’s, so graut mir vor ihm! |
16 | Ja, Gott hat mein Herz verzagt gemacht und der Allmächtige mich mit Angst erfüllt; |
17 | denn nicht wegen Finsternis (= äußerer Trübsal) fühle ich mich vernichtet und nicht wegen meiner Person, die er mit Dunkel (= Leiden) umhüllt hat.« |
1 | »Warum sind vom Allmächtigen nicht Zeiten für Strafgerichte vorgesehen worden, und warum bekommen seine Getreuen nicht seine Gerichtstage zu sehen? |
2 | Man verrückt die Grenzsteine, raubt Herden samt den Hirten (oder: und weidet sie als eigene); |
3 | den Esel der Verwaisten treibt man weg, nimmt die Kuh der Witwe als Pfand; |
4 | die Armen drängt man vom Wege ab; allesamt müssen die Elenden des Landes sich verkriechen. |
5 | Seht nur! Wie Wildesel in der Wüste ziehen sie früh zu ihrem Tagewerk aus, nach Beute ausspähend; die Steppe liefert ihnen Brot (= Nahrung) für die Kinder; |
6 | auf dem Felde des Gottlosen müssen sie den Sauerampfer abernten und Nachlese in seinem Weinberge halten; |
7 | nackt bringen sie die Nacht zu, ohne Gewand, und haben keine Decke in der Kälte. |
8 | Von den Regengüssen der Berge triefen sie und schmiegen sich obdachlos an die Felsen. |
9 | Man reißt die Waise von der Mutterbrust weg, und was der Elende an hat, nimmt man zum Pfande. |
10 | Nackt gehen sie einher, ohne Kleidung, und hungernd schleppen sie Garben (im Dienst der Reichen); |
11 | innerhalb der Mauern der Gottlosen pressen sie Öl, treten die Keltern und leiden Durst dabei. |
12 | Aus den Städten heraus lassen Sterbende ihr Ächzen hören, und die Seele von Erschlagenen schreit um Rache; aber Gott rechnet es nicht als Ungebühr an! |
13 | Andere (Gottlose) gehören zu den Feinden des Tageslichts: sie wollen von Gottes Wegen nichts wissen und bleiben nicht auf seinen Pfaden. |
14 | Ehe es hell wird, steht der Mörder auf, tötet den Elenden und Armen; und in der Nacht treibt der Dieb sein Wesen. |
15 | Das Auge des Ehebrechers aber lauert auf die Abenddämmerung, indem er denkt: ›Kein Auge soll mich erblicken!‹, und er legt sich eine Hülle (oder: Maske) vors Gesicht. |
16 | In der Finsternis bricht man in die Häuser ein, bei Tage halten sie sich eingeschlossen: sie wollen vom Licht nichts wissen. |
17 | Denn als Morgenlicht gilt ihnen allesamt tiefe Nacht, weil sie mit den Schrecknissen der tiefen Nacht wohlvertraut sind. |
18 | Im Fluge fährt er (d.h. der Frevler) über die Wasserfläche dahin; mit dem Fluch wird ihr Erbteil (oder: Grundbesitz) im Lande belegt; er schlägt nicht mehr den Weg zu den Weinbergen ein. |
19 | Wie Dürre und Sonnenglut die Schneewasser wegraffen, ebenso das Totenreich die, welche gesündigt haben. |
20 | Selbst der Mutterschoß (= die Mutter) vergißt ihn, das Gewürm labt sich an ihm; nicht mehr wird seiner gedacht, und wie ein Baum wird der Frevler abgehauen, |
21 | er, der die einsam dastehende, kinderlose Frau ausgeplündert und keiner Witwe Gutes getan hat. |
22 | Ebenso erhält Gott Gewalttätige lange Zeit durch seine Kraft: mancher steht wieder auf, der schon am Leben verzweifelte. |
23 | Er verleiht ihm Sicherheit, so daß er gestützt dasteht, und seine Augen wachen über ihren Wegen. |
24 | Wenn sie hoch gestiegen sind – ein Augenblick nur, so sind sie nicht mehr da; sie sinken hin, werden hinweggerafft wie alle anderen auch; wie eine Ährenspitze werden sie abgeschnitten. |
25 | Ist’s etwa nicht so? Wer will mich Lügen strafen und meine Rede als nichtig erweisen?« |
1 | Da antwortete Hiob folgendermaßen: |
2 | »Wie hast du doch dem Schwachen beigestanden und den kraftlosen Arm gestützt! |
3 | Wie gut hast du doch den Unweisen beraten und tiefes Wissen in Fülle kundgetan! |
4 | Wem hast du einen Lehrvortrag gehalten, und wessen Odem (oder: Geist) ist dir entströmt (= hat aus dir gesprochen)?« |
5 | »Die Schatten erzittern (vor Gott) tief unter den Wassern und deren Bewohnern; |
6 | nackt (= entblößt) liegt das Totenreich vor ihm da und unverhüllt der Abgrund (= die Unterwelt). |
7 | Er spannt den Norden (der Erde) über der Leere aus, hängt die Erde an dem Nichts auf. |
8 | Er bindet die Wasser in seine Wolken ein, ohne daß das Gewölk unter ihrer Last zerplatzt. |
9 | Er verhüllt den Anblick seines Thrones, indem er sein Gewölk über ihn ausbreitet. |
10 | Eine Grenzlinie hat er über den weiten Wassern abgezirkelt bis zur äußersten Grenze, wo das Licht mit der Finsternis zusammentrifft. |
11 | Die Säulen des Himmels geraten ins Wanken und beben infolge seines Scheltens. |
12 | Durch seine Kraft beruhigt er das Meer, und durch seine Klugheit hat er Rahab (= Ungetüme; vgl. 9,13) zerschmettert. |
13 | Durch seinen Hauch gewinnt der Himmel Heiterkeit; durchbohrt hat seine Hand den flüchtigen Drachen (vgl. 9,13). |
14 | Siehe, das sind nur die Säume seines Waltens, und welch ein leises Flüstern nur ist es, das wir von ihm vernehmen! Doch die Donnersprache seiner Machterweise – wer versteht diese?« |
| V. Hiobs Schlußrede an seine Freunde (Kap. 27-28) |
1 | Hierauf fuhr Hiob nochmals in seiner Rede so fort: |
2 | »So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der Allmächtige, der mich in Verzweiflung gestürzt hat: |
3 | Solange irgend noch mein Lebensodem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase – |
4 | nie sollen meine Lippen eine Unwahrheit reden und meine Zunge eine Täuschung aussprechen! |
5 | Fern sei es also von mir, euch recht zu geben, nein, bis zum letzten Atemzuge verleugne ich meine Unschuld nicht! |
6 | An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht fahren: mein Gewissen straft mich wegen keines einzigen meiner Lebenstage!« |
7 | »Wie dem Frevler möge es meinem Feinde ergehen und meinem Widersacher wie dem Bösewicht! |
8 | Denn welche Hoffnung hat der Ruchlose noch, wenn Gott seinen Lebensfaden abschneidet, wenn er ihm seine Seele abfordert? |
9 | Wird Gott wohl sein Schreien hören, wenn Drangsal über ihn hereinbricht? |
10 | Oder darf er auf den Allmächtigen sich getrost verlassen, Gott anrufen zu jeder Zeit?« |
11 | »Ich will euch über Gottes Tun belehren und, wie der Allmächtige es hält, euch nicht verhehlen. |
12 | Seht doch, ihr alle habt euch selbst davon überzeugt: warum seid ihr gleichwohl in so eitlem Wahn befangen? |
13 | Dies ist das Teil (= Schicksal, Los) des frevelhaften Menschen bei Gott und das Erbe der Gewalttätigen, das sie vom Allmächtigen empfangen: |
14 | Wenn seine Kinder (oder: Söhne) groß werden, so ist’s für das Schwert, und seine Sprößlinge haben nicht satt zu essen. |
15 | Wer ihm dann von den Seinen noch übrigbleibt, wird durch die Pest ins Grab gebracht, und ihre Witwen stellen nicht einmal eine Totenklage an. |
16 | Wenn er Geld aufhäuft wie Staub und Gewänder ansammelt wie Gassenschmutz: |
17 | er sammelt sie wohl, aber ein Gerechter bekleidet sich mit ihnen, und das Geld wird ein Schuldloser in Besitz nehmen. |
18 | Er hat sein Haus gebaut wie ein Spinngewebe und wie eine Hütte, die ein Feldhüter sich aufschlägt: |
19 | als reicher Mann legt er sich schlafen, ohne daß es (d.h. das Geld) schon weggerafft wäre – schlägt er die Augen auf, so ist nichts mehr da; |
20 | Schrecknisse überfallen ihn bei Tage, bei Nacht rafft der Sturmwind ihn hinweg; |
21 | der Ostwind hebt ihn empor, so daß er dahinfährt, und stürmt ihn hinweg von seiner Stätte. |
22 | Gott schleudert seine Geschosse erbarmungslos auf ihn; seiner Hand möchte er um jeden Preis entfliehen. |
23 | Man klatscht über ihn in die Hände, und Zischen folgt ihm nach von seiner Wohnstätte her.« |
| Alle Schätze, auch die in den Tiefen der Erde verborgenen, weiß der Mensch zu finden und sich zu eigen zu machen |
1 | »Denn wohl gibt es für das Silber einen Fundort (oder: eine Herkunftsstelle) und eine Stätte für das Golderz, wo man es auswäscht (oder: läutert). |
2 | Eisen wird aus der Erde herausgeholt, und Gestein schmelzt man zu Kupfer um. |
3 | Der Finsternis hat (der Mensch) ein Ziel gesetzt, und bis in die äußersten Tiefen durchforscht das in Nacht und Grauen verborgene Gestein. |
4 | Man bricht einen Stollen fern von den im Licht Wohnenden; vergessen und fern vom Fuß der über ihnen Hinschreitenden hangen sie da (an Seilen), fern von den Menschen schweben sie. |
5 | Die Erde, aus welcher Brotkorn hervorwächst, wird in der Tiefe umgewühlt wie mit Feuer. |
6 | Man findet Saphir im Gestein und Staub, darin Gold ist. |
7 | Den Pfad dorthin kennt der Adler nicht, und das Auge des Falken hat ihn nicht erspäht; |
8 | nicht betreten ihn die stolzen Raubtiere, noch schreitet der Leu auf ihm einher. |
9 | An das harte Gestein legt (der Mensch) seine Hand, wühlt die Berge um von der Wurzel aus; |
10 | in die Felsen bricht er Schächte, und allerlei Kostbares erblickt sein Auge. |
11 | Die Wasseradern verbaut er, daß sie nicht durchsickern, und zieht so die verborgenen Schätze ans Licht hervor.« |
| Aber die Weisheit, das kostbarste Gut, ist in der ganzen Schöpfung nirgends zu finden |
12 | »Die Weisheit aber – wo findet man diese? und wo ist die Fundstätte der Erkenntnis? |
13 | Kein Mensch kennt den Weg zu ihr, und im Lande der Lebendigen ist sie nicht zu finden. |
14 | Die Flut der Tiefe (d.h. das tiefe Weltmeer) sagt: ›In mir ist sie nicht‹; und das Meer erklärt: ›Bei mir weilt sie nicht‹. |
15 | Für geläutertes Gold ist sie nicht feil, und Silber kann nicht als Kaufpreis für sie dargewogen werden; |
16 | sie läßt sich nicht aufwägen mit Feingold von Ophir, mit kostbarem Onyx und Saphir. |
17 | Gold und Prachtglas kann man ihr nicht gleichstellen, noch sie eintauschen gegen Kunstwerke von gediegenem Gold; |
18 | Korallen und Kristall kommen (neben ihr) nicht in Betracht, und der Besitz der Weisheit ist mehr wert als Perlen. |
19 | Äthiopiens Topas reicht nicht an sie heran, mit reinstem Feingold wird sie nicht aufgewogen. |
20 | Die Weisheit also – woher kommt sie, und wo ist die Fundstätte der Erkenntnis? |
21 | Verborgen ist sie vor den Augen aller lebenden Wesen und verhüllt sogar vor den Vögeln des Himmels. |
22 | Die Unterwelt und das Totenreich sagen von ihr: ›Nur ein Gerücht von ihr ist uns zu Ohren gedrungen.‹« |
| Gott allein besitzt die Weisheit und hat sie in der Schöpfung der Welt betätigt; der Mensch kann sie nur als Gottesfurcht besitzen |
23 | »Gott hat den Weg zu ihr (allein) erschaut, und er kennt ihre Fundstätte; |
24 | denn er blickt bis zu den Enden der Erde und sieht, was unter dem ganzen Himmel ist. |
25 | Als er dem Winde seine Wucht bestimmte und die Wasser mit dem Maß abwog, |
26 | als er dem Regen sein Gesetz vorschrieb und dem Wetterstrahl die Bahn anwies: |
27 | da sah er sie und betätigte (oder: entfaltete) sie, setzte sie ein und erforschte sie auch. |
28 | Zu dem Menschen aber sprach er: ›Wisse wohl: die Furcht vor dem Allherrn – das ist Weisheit, und das Böse meiden – das ist Verstand!‹« |
| VI. Hiobs Selbstgespräch (Kap. 29-31) |
1 | Hierauf fuhr Hiob in seiner Rede so fort: |
2 | »O daß es mit mir noch so stände wie in den früheren Monden, wie in den Tagen, wo Gott mich behütete, – |
3 | als seine Leuchte noch über meinem Haupte strahlte und ich in seinem Licht durch das Dunkel wandelte, |
4 | so, wie es mit mir in den Tagen meines Herbstes (d.h. meiner Vollreife oder: Vollkraft) stand, als Gottes Freundschaft über meinem Zelt waltete, |
5 | als der Allmächtige noch auf meiner Seite stand, meine Söhne (oder: Kinder) noch rings um mich her waren, |
6 | als meiner Füße Tritte sich in Milch badeten und jeder Fels neben mir Bäche von Öl fließen ließ!« |
7 | »Wenn ich (damals) hinaufging zum Tor der Stadt und meinen Stuhl auf dem Marktplatz aufstellte, |
8 | da traten die jungen Männer zurück, sobald sie mich sahen, und die Greise erhoben sich und blieben stehen; |
9 | die Fürsten (oder: Vornehmen) hielten an sich mit ihrem Reden und legten die Hand auf ihren Mund; |
10 | die Stimme der Edlen verstummte, und die Zunge blieb ihnen am Gaumen kleben. |
11 | Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich glücklich, und jedes Auge, das mich sah, legte Zeugnis für mich ab; |
12 | denn ich rettete den Elenden, der um Hilfe schrie, und die Waise, die sonst keinen Helfer hatte. |
13 | Der Segensspruch dessen, der verloren schien, erscholl über mich, und das Herz der Witwe machte ich jubeln. |
14 | In Gerechtigkeit kleidete ich mich, und sie war mein Ehrenkleid: wie ein Prachtgewand und Kopfbund schmückte mich mein Rechttun (= meine Ehrenhaftigkeit). |
15 | Für den Blinden war ich das Auge und für den Lahmen der Fuß; |
16 | ein Vater war ich für die Armen, und der Rechtssache des mir Unbekannten nahm ich mich gewissenhaft an; |
17 | dem Frevler (oder: Rechtsverdreher) zerschmetterte ich das Gebiß und riß ihm den Raub aus den Zähnen. |
18 | So dachte ich denn: ›Im Besitz meines Nestes werde ich sterben und mein Leben werde ich lange wie der Phönix erhalten; |
19 | meine Wurzel wird am Wasser ausgebreitet liegen und der Tau auf meinen Zweigen nächtigen; |
20 | mein Ansehen wird unverändert mir verbleiben und mein Bogen sich in meiner Hand stets verjüngen.‹ |
21 | Mir hörten sie zu und warteten auf mich und lauschten schweigend auf meinen Rat. |
22 | Wenn ich gesprochen hatte, nahm keiner nochmals das Wort, sondern meine Rede träufelte auf sie herab. |
23 | Sie warteten auf meine Rede wie auf den Regen und sperrten den Mund nach mir auf wie nach Frühlingsregen. |
24 | Ich lächelte ihnen zu, wenn sie mutlos waren, und das heitere Antlitz vermochten sie mir nicht zu trüben. |
25 | Sooft ich den Weg zu ihnen einschlug, saß ich als Haupt da und thronte wie ein König in der Kriegerschar, wie einer, der Leidtragenden Trost spendet.« |
1 | »Jetzt aber lachen über mich auch solche, die jünger an Jahren sind als ich, deren Väter ich nicht gewürdigt habe, sie neben den Wachhunden meines Kleinviehs anzustellen. |
2 | Wozu hätte mir auch die Kraft ihrer Hände nützen können? Bei ihnen war ja die volle Rüstigkeit verlorengegangen. |
3 | Durch Mangel und Hunger erschöpft, nagen sie das dürre Land ab, die unfruchtbare und öde Steppe; |
4 | sie pflücken sich Melde (oder: Salzkraut) am Buschwerk ab, und die Ginsterwurzel ist ihr Brot. |
5 | Aus der Gemeinde (oder: menschlichen Gesellschaft) werden sie ausgestoßen: man schreit über sie wie über Diebe. |
6 | In schauerlichen Klüften müssen sie wohnen, in Erdlöchern und Felshöhlen; |
7 | zwischen Sträuchern brüllen sie, unter Dorngestrüpp halten sie Zusammenkünfte: |
8 | verworfenes und ehrloses Gesindel, das man aus dem Lande hinausgepeitscht hat. |
9 | Und jetzt bin ich ihr Spottlied geworden und diene ihrem Gerede zur Kurzweil (oder: als Zielscheibe). |
10 | Mit Abscheu halten sie sich fern von mir und scheuen sich nicht, vor mir auszuspeien; |
11 | weil Gott meine Bogensehne abgespannt und mich niedergebeugt hat, lassen sie den Zügel vor mir schießen. |
12 | Zu meiner Rechten erhebt sich die Brut; sie stoßen meine Füße weg und schütten ihre Unheilsstraßen gegen mich auf. |
13 | Meinen Pfad haben sie aufgerissen, auf meinen Sturz arbeiten sie hin, niemand tut ihnen Einhalt. |
14 | Wie durch einen breiten Mauerriß (oder: eine Bresche) kommen sie heran, durch die Trümmer (oder: mit wildem Lärm) wälzen sie sich daher: |
15 | ein Schreckensheer hat sich gegen mich gekehrt; wie vom Sturmwind wird meine Ehre weggerafft, und wie eine Wolke ist mein Glück vorübergezogen!« |
16 | »So verblutet sich denn jetzt das Herz in mir: die Tage des Elends halten mich in ihrer Gewalt. |
17 | Die Nacht bohrt in meinen Gebeinen und löst sie von mir ab, und die an mir nagenden Schmerzen schlafen nicht. |
18 | Durch Allgewalt ist mein Gewand (d.h. meine Haut) entstellt: so eng wie mein Unterkleid (oder: Panzer) umschließt es mich. |
19 | Gott hat mich in den Kot geworfen, und ich bin (an Ansehen) dem Staub und der Asche gleichgestellt. |
20 | Schreie ich zu dir, so antwortest du mir nicht; trete ich vor dich hin, so achtest du nicht auf mich: |
21 | du hast dich mir in einen erbarmungslosen Feind verwandelt; mit deiner starken Hand bekämpfst du mich. |
22 | Du hebst mich auf (die Fittiche) des Sturmwindes empor, läßt mich dahinfahren und im Sturmestosen vergehen. |
23 | Ja, ich weiß es: in den Tod willst du mich heimführen und in das Versammlungshaus aller Lebenden!« |
24 | »Doch streckt man nicht beim Ertrinken die Hand (nach Rettung) aus, und erhebt man beim Versinken nicht deswegen einen Hilferuf? |
25 | Habe ich denn nicht um den geweint, der harte Tage durchzumachen hatte, und ist mein Herz nicht um den Armen bekümmert gewesen? |
26 | Ja, auf Glück habe ich gewartet, aber Unheil kam; und ich harrte auf Licht, aber es kam Finsternis. |
27 | Mein Inneres ist in Aufruhr ohne Unterlaß, Leidenstage haben mich überfallen. |
28 | In Trauer gehe ich einher ohne Sonne (oder: ohne Trost); ich stehe in der versammelten Gemeinde auf und schreie; |
29 | den (heulenden) Schakalen bin ich ein Bruder geworden und den (klagenden) Straußen ein Genosse. |
30 | Meine Haut löst sich, schwarz geworden, von mir ab, und mein Gebein ist von Fieberglut ausgedörrt. |
31 | So ist denn mein Zitherspiel zum Trauerlied (= zur Totenklage) geworden und meine Schalmei zu Tönen der Klage!« |
1 | »Mit meinen Augen habe ich einen Bund abgeschlossen, daß ich ja nicht lüstern nach einer Jungfrau blickte. |
2 | Denn was wäre der Lohn Gottes von oben gewesen und die Vergeltung des Allmächtigen aus Himmelshöhen? |
3 | Trifft nicht Verderben den Frevler und Unglück die Überltäter? |
4 | Sieht er (d.h. Gott) nicht meine Wege, und zählt er nicht alle meine Schritte? |
5 | Wenn ich mit Falschheit umgegangen bin und mein Fuß jemals der Täuschung zugeeilt ist: |
6 | Gott wäge mich auf gerechter (= richtiger) Waage, so wird er meine Unschuld erkennen! |
7 | Wenn mein Schritt jemals vom rechten Wege abgewichen und mein Herz meinen Augen Folge geleistet hat und ein Flecken an meinen Händen kleben geblieben ist, |
8 | so will ich säen und ein anderer möge es verzehren, und alles, was mir sproßt, möge ausgerissen werden! |
9 | Wenn mein Herz sich um einer Frau willen hat betören lassen und ich an der Tür meines Nächsten auf der Lauer gestanden habe, |
10 | so soll meine Frau für einen andern die Mühle drehen und andere mögen sich über sie hinstrecken! |
11 | Denn das wäre eine Schandtat gewesen und das ein Vergehen für den Strafrichter; |
12 | ja, ein Feuer wäre das gewesen, das bis zum Abgrund (= zur Unterwelt; vgl. 26,6) gefressen und meinen gesamten Besitz bis auf die Wurzel hätte vernichten müssen. |
13 | Wenn ich das Recht meines Knechtes und meiner Magd mißachtet hätte, sooft sie im Streit mit mir lagen: |
14 | was hätte ich da tun sollen, wenn Gott aufgestanden wäre? Und was hätte ich ihm bei seiner Untersuchung erwidern können? |
15 | Hat nicht mein Schöpfer auch ihn im Mutterleibe geschaffen und ein und derselbe uns im Mutterschoße gebildet? |
16 | Wenn ich den Geringen ihr Begehren versagt und die Augen der Witwe habe schmachten lassen |
17 | und meinen Bissen für mich allein verzehrt habe, ohne daß der Verwaiste sein Teil davon genossen hat – |
18 | nein, von meiner Jugend an ist er mir ja wie einem Vater aufgewachsen, und von meiner Mutter Leibe an bin ich ein Beschützer für jenen gewesen –; |
19 | wenn ich jemand habe verkommen sehen aus Mangel an Kleidung und daß ein Armer keine Schlafdecke hatte, |
20 | und dann seine Hüften mich nicht gesegnet haben und er sich nicht durch meiner Lämmer Wolle erwärmt hat; |
21 | wenn ich meine Faust jemals gegen eine Waise geschwungen habe, weil ich im Tor (= vor Gericht) auf Beistand rechnen konnte: |
22 | so möge meine Schulter von ihrem Nacken fallen und mein Arm aus seiner Röhre ausgebrochen werden! |
23 | Denn als ein Schrecken wäre auf mich das Strafgericht Gottes eingedrungen, und vor seiner Erhabenheit hätte ich nicht zu bestehen vermocht. |
24 | Wenn ich je auf Gold mein Vertrauen gesetzt und zum Feingold gesagt habe: ›Du bist meine Zuversicht!‹; |
25 | wenn ich mich darüber gefreut habe, daß mein Vermögen groß war und daß meine Hand Ansehnliches erworben hatte; |
26 | wenn ich die Sonne angeschaut habe, wie hell sie strahlt, und den Mond, wie er in Pracht dahinwandelt, |
27 | und mein Herz sich insgeheim hat betören lassen, daß ich ihnen eine Kußhand zuwarf: |
28 | auch das wäre eine Verschuldung für den Strafrichter gewesen, denn damit hätte ich Gott in der Höhe die Treue gebrochen. – |
29 | Wenn ich mich je über das Unglück meines Feindes gefreut und darüber gejubelt habe, daß ein Mißgeschick ihm zugestoßen war – |
30 | nein, nie habe ich meiner Zunge zu sündigen gestattet, daß sie durch einen Fluch sein Leben gefordert hätte – |
31 | wenn meine Zeltgenossen nicht gesagt haben: ›Wo ist einer, der vom Fleisch seines Schlachtviehs nicht satt geworden wäre?‹ –; |
32 | nein, der Fremdling durfte nicht im Freien übernachten, und meine Tür hielt ich dem Wanderer offen –; |
33 | wenn ich meine Übertretungen, wie Menschen tun, verheimlicht habe, indem ich mein Vergehen in meinem Busen verbarg, |
34 | weil ich mich vor der großen Menge scheute und die Mißachtung der Geschlechter mich schreckte, so daß ich mich still verhielt, nicht vor die Tür hinaustrat; |
35 | »O hätte ich doch einen, der mich anhören wollte! Siehe, hier ist meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! Und hätte ich doch die von meinem Gegner ausgefertigte Klageschrift! |
36 | Wahrlich, an meiner Schulter wollte ich sie zur Schau tragen, als Ehrenkranz sie mir um die Schläfe winden! |
37 | Denn über die Zahl meiner Schritte wollte ich ihm Rede stehen, wie zu einem Fürsten müßte er herannahen!« [DieReden Hiobs sind zu Ende.] |
38 | wenn mein Acker je über mich geschrien und seine Furchen allesamt geweint haben; |
39 | wenn ich seinen Ertrag ohne Zahlung verzehrt und seinen Besitzer ums Leben gebracht habe (oder: habe seufzen lassen): |
40 | so sollen mir Disteln statt des Weizens aufgehen und Unkraut statt der Gerste!« |
| VII. Die Reden Elihus (Kap. 32-37) |
1 | Als nun jene drei Männer es aufgegeben hatten, dem Hiob (darauf) zu antworten, daß er sich selbst für gerecht hielt, |
2 | da entbrannte der Zorn des Busiters Elihu, des Sohnes Barachels, aus dem Geschlechte Ram (vgl. Ruth 4,19). Gegen Hiob war er in Zorn geraten, weil dieser Gott gegenüber im Recht zu sein behauptete; |
3 | und gegen dessen drei Freunde war er deshalb in Zorn geraten, weil sie nicht die (rechte) Antwort gefunden hatten, um Hiob als schuldig zu erweisen. |
4 | Elihu hatte aber mit einer Entgegnung an Hiob an sich gehalten, weil jene älter an Jahren waren als er. |
5 | Als Elihu aber sah, daß im Mund der drei Männer keine Widerlegung sich fand, geriet er in Zorn. |
| Elihu begründet sein bisheriges Schweigen |
6 | So nahm denn der Busiter Elihu, der Sohn Barachels, das Wort und sagte: Noch jung bin ich an Tagen, und ihr seid Greise; darum habe ich mich gescheut und an mich gehalten, euch mein Wissen kundzutun. |
7 | Ich dachte: ›Das Alter mag reden und die Menge der Jahre Weisheit an den Tag legen!‹ |
8 | Jedoch der Geist ist es in den Menschen und der Hauch (oder: Odem) des Allmächtigen, der ihnen Einsicht verleiht. |
9 | Nicht die Bejahrten sind die weisesten, und nicht die Greise (an sich) verstehen sich auf das, was Recht ist. |
10 | Darum sage ich: ›Hört mir zu! Laßt auch mich mein Wissen euch kundtun.‹ |
11 | Seht, ich habe auf eure Reden geharrt, habe nach einsichtigen Darlegungen von euch hingehorcht, bis ihr die rechten Worte ausfindig machen würdet, |
12 | ja, ich habe aufmerksam auf euch achtgegeben; doch seht: keiner hat Hiob widerlegt, keiner von euch auf seine Reden die (rechte) Antwort gegeben. |
13 | Wendet nur nicht ein: ›Wir sind (bei ihm) auf Weisheit gestoßen: nur Gott kann ihn aus dem Felde schlagen, nicht ein Mensch!‹ |
14 | Gegen mich hat er ja noch keine Beweisgründe ins Treffen geführt, und nicht mit euren Reden werde ich ihm entgegentreten.« |
| Elihu erklärt, daß sein Geist sich zur unparteiischen Kundgebung seiner Einsicht getrieben fühle |
15 | »Bestürzt stehen sie da, finden keine Antwort mehr; die Worte sind ihnen ausgegangen! |
16 | Und da sollte ich warten, weil sie nicht mehr reden, weil sie dastehen, ohne zu antworten? |
17 | Nein, auch ich will mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen kundtun! |
18 | Denn voll bin ich von Worten; der Geist drängt und beengt mich in meinem Inneren, zu reden. |
19 | Seht, meiner Brust geht es wie dem Wein, dem man nicht Luft schafft: sie droht zu bersten wie neugefüllte Schläuche. |
20 | Reden will ich, um mir Luft zu schaffen, will meine Lippen auftun und entgegnen! |
21 | Ich will dabei für niemand Partei nehmen und keinem Menschen zu Gefallen reden; |
22 | denn ich verstehe mich nicht darauf, zu Gefallen zu reden: gar bald würde mein Schöpfer mich sonst hinwegraffen.« |
| Elihus freundliche Anrede und Aufforderung an Hiob zur Stellungnahme |
1 | »Nun aber höre, Hiob, meine Reden und leihe dein Ohr allen meinen Worten! |
2 | Wisse wohl: wenn ich meinen Mund jetzt auftue und meine Zunge sich vernehmlich hören läßt, |
3 | so sind meine Worte aufrichtig wie mein Herz, und was meine Lippen wissen, sprechen sie unverfälscht aus. |
4 | Der Geist Gottes, der mich geschaffen hat, und der Hauch (oder: Odem) des Allmächtigen belebt mich. |
5 | Wenn du’s vermagst, so widerlege mich: rüste dich mit Beweisgründen gegen mich, tritt an zum Kampf! |
6 | Siehe, ich stehe zu Gott ebenso wie du: aus Ton (= Lehm) bin auch ich gebildet. |
7 | Nein, Angst vor mir braucht dich nicht einzuschüchtern, und meine Wucht soll dich nicht niederdrücken!« |
8 | »Nun aber hast du vor meinen Ohren ausgesprochen, und deutlich habe ich deine Worte gehört: |
9 | ›Unschuldig bin ich, ohne Missetat, rein bin ich, und kein Vergehen haftet mir an! |
10 | Fürwahr, er (Gott) erfindet Feindseligkeiten gegen mich (oder: findet Widerwärtigkeiten an mir), sieht in mir einen Feind; |
11 | er legt meine Füße in den Block, überwacht alle meine Pfade.‹ |
12 | Sieh, darin hast du unrecht, entgegne ich dir; denn Gott ist größer als ein Mensch.« |
| Gott belehrt die Menschen über seine Absichten und über ihre Sünde bald durch Träume, bald durch Leiden, besonders durch Krankheit |
13 | »Warum hast du den Vorwurf gegen ihn erhoben, daß er dir auf alle deine Worte keine Antwort gebe? |
14 | Vielmehr redet Gott einmal und zweimal (oder: auf die eine und andere Weise), man achtet nur nicht darauf. |
15 | Im Traum, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, im Schlummerzustand auf dem Lager: |
16 | da öffnet er den Menschen das Ohr und schreckt sie durch Verwarnung, |
17 | um den Menschen von seinem (bösen) Tun abzubringen und den Mann vor Überhebung zu behüten, |
18 | um seine Seele vor der Grube (oder: der Unterwelt) zu bewahren und sein Leben vor dem Geschoß des Todes. |
19 | Auch wird er durch Schmerzen auf seinem Lager in Zucht genommen (oder: gemahnt) und durch andauernden Leidenskampf in seinen Gliedern, |
20 | so daß für seinen Lebenstrieb alle Nahrung zum Ekel wird und für seine Eßlust sogar die Lieblingsspeise; |
21 | sein Fleisch schwindet dahin, daß es nicht mehr zu sehen ist, und seine vordem verborgenen Knochen treten zu Tage, |
22 | so daß seine Seele der Grube (oder: der Unterwelt) nahe kommt und sein Leben den Todesmächten.« |
| Wenn die Menschen sich dann unter Beistand eines Engelmittlers bekehren, so erhalten sie Verzeihung von Gott und völlige Begnadigung |
23 | »Wenn dann ein Engel für ihn da ist, ein Fürsprecher (oder: Mittler), ein einziger aus den tausend, um für den Menschen Zeugnis von seiner Gerechtigkeit abzulegen, |
24 | und dieser sich seiner erbarmt und (zu Gott) spricht: ›Laß ihn frei, daß er nicht in die Grube (oder: die Unterwelt) hinabfährt! Ich habe eine Sühne (oder: das Lösegeld) gefunden‹, |
25 | so strotzt sein Leib wieder von Jugendkraft, so daß er in die Tage seines Jünglingsalters zurückversetzt wird. |
26 | Er betet zu Gott, und dieser nimmt ihn gnädig an, läßt ihn sein Angesicht unter Jauchzen schauen und gibt dem Menschen seine Gerechtigkeit zurück. |
27 | Er singt vor dem Volk und bekennt: ›Ich hatte gesündigt und das Recht verkehrt, aber es ist mir nicht vergolten worden! |
28 | Erlöst hat (Gott) meine Seele, daß sie nicht in die Grube (oder: Unterwelt) gefahren ist, und mein Leben erfreut sich am Anblick des Lichts!‹« |
29 | »Sieh, dies alles tut Gott zweimal, ja dreimal an dem Menschen, |
30 | um seine Seele von der Grube (oder: Unterwelt) fernzuhalten und damit er vom Licht des Lebens (oder: der Lebenden) umleuchtet werde. |
31 | Merke auf, Hiob, höre mir zu, schweige und laß mich reden! |
32 | Hast du etwas einzuwenden, so widerlege mich; sprich, denn ich möchte dich gern rechtfertigen (oder: dir recht geben). |
33 | Hast du aber nichts, so höre mir zu; schweige, damit ich dich Weisheit lehre!« |
1 | Elihu hob dann wieder an und sagte: |
2 | »Vernehmt, ihr Weisen, meine Worte und, ihr Einsichtigen, schenkt mir Gehör! |
3 | denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speisen kostet. |
4 | Wir wollen doch prüfend das Recht finden, wollen gemeinsam erforschen, was gut ist. |
5 | Denn Hiob hat behauptet: ›Ich bin gerecht (oder: im Recht), aber Gott hat mir mein Recht vorenthalten; |
6 | trotz meines Rechtes soll ich ein Lügner sein! Tödlich steckt sein Pfeil in mir, ohne daß ich mich verschuldet habe!‹« |
7 | »Wo ist ein Mann wie Hiob, der Lästerrede trinkt wie Wasser |
8 | und in Gemeinschaft mit Übeltätern getreten ist und mit Frevlern Umgang pflegt? |
9 | Denn er hat behauptet: ›Der Mensch hat keinen Nutzen davon, daß er mit Gott die Freundschaft aufrecht hält.‹ |
10 | Darum hört mich an, ihr einsichtsvollen Männer! Fern bleibe der Vorwurf von Gott, daß er Frevel verübe, und vom Allmächtigen, daß er Unrecht tue! |
11 | Nein, was der Mensch tut, das vergilt er ihm und läßt es jedem nach seinem Lebenswandel ergehen. |
12 | Ja wahrlich, Gott handelt nicht frevelhaft, und der Allmächtige beugt das Recht nicht. |
13 | Wer hat die Erde seiner Obhut anvertraut und wer den ganzen Erdkreis hergestellt? |
14 | Wenn er nur an sich selbst dächte, seinen Geist und seinen Odem in sich zurückzöge, |
15 | so müßte alles Fleisch insgesamt verscheiden und der Mensch wieder zu Staub werden. |
16 | Wenn du also verständig bist, so höre dies und gib wohl acht, wie meine Worte lauten! |
17 | Kann auch, wer das Recht haßt, ein Gemeinwesen leiten? Oder willst du den Allgerechten verdammen, |
18 | ihn, der zum Könige sagt: ›Du Nichtswürdiger!‹ und zu den Hochgestellten: ›Du Bösewicht!‹, |
19 | ihn, der die Person der Fürsten (oder: Großen) nicht ansieht und den Vornehmen nicht vor dem Geringen bevorzugt, weil sie ja alle das Werk seiner Hände sind. |
20 | In einem Augenblick sterben sie, und mitten in der Nacht wird ein Volk erschüttert und muß dahinfahren, und Machthaber beseitigt er, ohne die Hand zu rühren. |
21 | Denn seine Augen sind auf die Wege (= den Wandel) eines jeden Menschen gerichtet, und er sieht alle seine Schritte: |
22 | da gibt es kein Dunkel und keine noch so dichte Finsternis, daß die Frevler sich darin verbergen könnten. |
23 | Denn er braucht einen Menschen nicht erst lange zu beobachten, damit er vor Gott zum Gericht erscheine: |
24 | nein, er zerschmettert Gewalthaber ohne Untersuchung und läßt andere an ihre Stelle treten. |
25 | Somit kennt er ihre Taten wohl und stürzt sie über Nacht, so daß sie zermalmt werden. |
26 | Als Frevler, die sie sind, geißelt er sie vor aller Augen |
27 | zur Strafe dafür, daß sie von ihm abgefallen sind und alle seine Wege (= sein ganzes Walten) unbeachtet gelassen haben, |
28 | so daß sie den Hilferuf des Armen zu ihm hinaufdringen ließen und er den Notschrei der Bedrückten vernehmen mußte. |
29 | Verhält er sich aber ruhig, wer darf ihn verdammen? Und verhüllt er sein Angesicht, wer kann ihn schauen? So waltet er sowohl über Völkern als auch über einzelnen Menschen gleicherweise, |
30 | damit nicht ruchlose Menschen die Herrschaft führen, Leute, welche Fallstricke für das Volk sein würden.« |
31 | »Denn soll etwa Gott zu dir sagen: ›Ich habe mich geirrt; will (aber) nicht wieder verkehrt handeln? |
32 | Über das, was ich nicht sehe, belehre du mich; wenn ich unrecht gehandelt habe, will ich es nicht wieder tun.‹ |
33 | Soll er nach deinem Sinn Vergeltung üben, weil du unzufrieden bist, und sagen: ›Du hast das Bessere zu bestimmen, nicht ich; was du also weißt, das sprich aus!‹? |
34 | Verständige Leute werden mir zugestehen und jeder weise Mann, der mir zuhört: |
35 | ›Hiob redet ohne Einsicht, und seine Worte sind nicht wohlbedacht.‹ |
36 | O daß doch Hiob fort und fort geprüft würde wegen seiner Widerreden nach Art der Frevler! |
37 | Denn zu seiner Verfehlung fügt er noch den Abfall (von Gott) hinzu: er höhnt laut in unserer Mitte und macht viel Redens gegen Gott.« |
1 | Elihu hob dann wieder an und sagte: |
2 | »Hältst du das für recht, nennst du das ›meine Gerechtigkeit vor Gott‹, |
3 | daß du fragst: ›Was nützt sie mir?‹ und: ›Was habe ich mehr davon, als wenn ich sündigte?‹ |
4 | Ich will dir darauf die Antwort geben, dir und zugleich deinen Freunden neben dir. |
5 | Blicke zum Himmel empor und sieh ihn an und schaue zu den Wolken hinauf, die hoch über dir sind: |
6 | wenn du sündigst, was tust du ihm damit zuleide? Und sind deine Übertretungen zahlreich, welchen Schaden fügst du ihm damit zu? |
7 | Und so auch: wenn du gerecht (= fromm) bist, welches Geschenk machst du ihm damit, oder was empfängt er aus deiner Hand? |
8 | Nur den Menschen, wie du einer bist, geht dein Freveln an, und nur dir, dem Menschensohn, kommt dein Gerechtsein zugute.« |
9 | »Man schreit wohl über die Menge der Bedrückungen, klagt laut über die Gewalttätigkeit der Großen, |
10 | doch keiner sagt: ›Wo ist Gott, mein Schöpfer, der Lobgesänge schenkt in der Nacht, |
11 | der uns Belehrung verleiht wie keinem Tiere des Feldes und uns höhere Weisheit gewinnen läßt als die Vögel des Himmels?‹ |
12 | Da schreit man denn, ohne Erhörung bei ihm zu finden, wegen des Übermuts der Bösen. |
13 | Jawohl: auf eitles Klagen hört Gott nicht, sondern der Allmächtige läßt es unbeachtet. |
14 | Nun sagst du aber gar, du sehest ihn nicht; deine Sache liege ihm vor, du wartest aber vergeblich auf seine Entscheidung! |
15 | Und nun, da sein Zorn noch nicht gestraft und er sich um Torheit nicht sonderlich gekümmert hat, |
16 | da reißt Hiob seinen Mund zu leerem Gerede auf und ergeht sich ohne Einsicht in vermessenen Worten!« |
1 | Hierauf fuhr Elihu weiter fort zu reden: |
2 | »Gedulde dich nur noch ein wenig, daß ich dich unterweise! Denn ich habe für Gottes Sache noch mehr zu sagen. |
3 | Ich will mit meinem Wissen weit ausholen, um meinem Schöpfer zu seinem Recht zu verhelfen; |
4 | denn wahrlich, meine Worte sind kein Trug: ein Mann mit vollkommener Erkenntnis verhandelt mit dir.« |
5 | »Siehe, Gott ist gewaltig und doch nicht teilnahmslos, gewaltig an Kraft des Herzens (= Mitgefühl). |
6 | Er erhält den Frevler nicht am Leben, läßt aber den Elenden ihr Recht zukommen. |
7 | Er wendet seine Augen von dem Gerechten nicht ab, und Königen auf dem Thron verschafft er für immer einen festen Sitz, damit sie erhöht sind. |
8 | Wenn sie aber mit Ketten gefesselt sind und in Unglücksbanden gefangen liegen, |
9 | so hält er ihnen damit ihr Tun vor, ihre Übertretungen, daß sie sich nämlich überhoben haben; |
10 | da öffnet er ihnen das Ohr für Warnungen und mahnt sie, sich vom Frevel abzuwenden. |
11 | Wenn sie nun darauf hören und sich unterwerfen, so beenden sie ihre Tage im Glück und ihre Jahre in Wonne (oder: im Wohlergehen); |
12 | wollen sie aber nicht darauf hören, so fallen sie dem Todesgeschoß (= einem plötzlichen Tode) anheim und verscheiden in Unverstand (= ohne Erkenntnis). |
13 | Dann geraten aber solche ruchlos Gesinnte in Zorn: sie schreien nicht um Hilfe, obgleich er (d.h. Gott) sie in Fesseln geschlagen hat. |
14 | So stirbt denn ihre Seele schon in der Jugendkraft dahin, und ihr Leben endet wie das der Lustknaben. |
15 | Die Dulder dagegen errettet er (gerade) durch ihr Dulden und öffnet ihnen durch die Leiden das Ohr.« |
16 | »So sucht er auch dich aus dem Rachen der Not auf weiten Raum zu führen, wo keine Enge mehr ist, und dein Tisch würde mit fettem Mahl reich besetzt sein; |
17 | du aber hast dich ganz dem frevelhaften Urteilen hingegeben, darum werden Urteil und Gericht dich treffen. |
18 | Laß die Leidenschaft dich ja nicht zu Lästerungen verleiten und die Größe des Lösegeldes (oder: der auferlegten Sühne) dich nicht beirren! |
19 | Wird etwa dein Geschrei dich aus der Bedrängnis herausbringen und alle noch so gewaltigen Anstrengungen? |
20 | Sehne die Nacht nicht herbei, wo Völker an ihrer Stätte auffahren! |
21 | Hüte dich, wende dich nicht dem Frevel zu; denn dazu bist du eher geneigt als zum Leiden. |
22 | Bedenke wohl: Gott vollbringt erhabene Dinge durch seine Kraft: wer ist ein Lehrmeister wie er? |
23 | Wer hat ihm sein Walten vorgeschrieben? Und wer hat je zu ihm sagen dürfen: ›Du hast unrecht gehandelt (oder: Frevel verübt)‹? |
24 | Sei darauf bedacht, sein Tun (oder: Walten) zu erheben, das die Menschen in Liedern preisen! |
25 | Alle Menschen schauen es bewundernd an, und doch erblickt es der Sterbliche nur von ferne.« |
26 | »Bedenke wohl: Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis; die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. |
27 | Denn er zieht Tropfen aus dem Meer empor, daß sie von dem Dunst, den er bildet, als Regen niederträufeln, |
28 | von dem die Wolken triefen und den sie auf die Menschenmenge rieseln lassen. |
29 | Wie kann man vollends die Ausbreitungen der Gewitterwolken verstehen, den Donnerschall seines Zeltes? |
30 | Siehe, er breitet sein Licht darüber (oder: um sich her) aus und bedeckt damit die tiefsten Tiefen des Meeres! |
31 | denn dadurch richtet er die Völker, spendet zugleich aber auch Nahrung in reicher Fülle. |
32 | Beide Hände hüllt er in den leuchtenden Blitz und entbietet ihn gegen den Angreifer. |
33 | Sein Donnergetöse kündigt ihn an als einen, der seinen Zorn gegen den Frevel eifern (= in Eifer geraten) läßt. |
1 | Ja, darüber erzittert mein Herz und fährt stürmisch empor von seiner Stelle. |
2 | Hört, o hört auf das Donnern seiner Stimme und auf das Tosen, das seinem Mund entfährt! |
3 | Er entfesselt es unter dem ganzen Himmel hin und sein Blitzesleuchten bis an die Säume der Erde. |
4 | Hinter (dem Blitz) her brüllt der Donner; er dröhnt mit seiner hehren Stimme und hält (die Blitze) nicht zurück, sobald sein Donner sich vernehmen läßt. |
5 | Gott donnert mit seiner Stimme wunderbar, er, der große Dinge tut, die wir nicht begreifen. |
6 | Denn dem Schnee gebietet er: ›Falle auf die Erde nieder!‹ und ebenso dem Regenguß: ›Falle als Dauerregen nieder!‹ |
7 | Dann zwingt er die Hände aller Menschen zur Untätigkeit, damit alle Menschen zur Erkenntnis seines Wirkens (oder: Waltens) kommen. |
8 | Da zieht sich das Wild in sein Versteck zurück und hält sich ruhig in seinen Schlupfwinkeln. |
9 | Aus der Kammer (des Südens; vgl. 9,9) bricht der Sturm hervor und von den Nordwinden die Kälte: |
10 | durch den Hauch Gottes entsteht das Eis, und die weite Wasserfläche liegt in enger Haft. |
11 | Auch belastet er mit Wasserfülle (oder: Hagel) das Gewölk, läßt seine Blitzwolken überströmen; |
12 | die wenden sich dann unter seiner Leitung hierhin und dorthin, um alles, was er ihnen gebietet, auszurichten auf dem ganzen weiten Erdkreise: |
13 | bald als Rute (= Züchtigung), wenn sie seinem Lande not tut, bald als Huldbeweis (= zum Segen) läßt er sie sich entladen.« |
14 | »Vernimm dies, Hiob! Stehe still und erwäge die Wunderwerke Gottes! |
15 | Begreifst du es, wie Gott ihnen Befehl erteilt und das Licht (= den Blitzstrahl) seines Gewölks aufleuchten läßt? |
16 | Verstehst du dich auf das Schweben der Wolken, auf die Wundertaten des an Weisheit Vollkommenen, |
17 | du, dem die Kleider zu heiß werden, wenn das Land beim Südwind in schwüler Hitze daliegt? |
18 | Kannst du gleich ihm das Himmelsgewölbe ausbreiten, das fest ist wie ein gegossener Spiegel? |
19 | Laß uns wissen, was wir ihm sagen sollen! Wir können vor Finsternis nichts vorbringen. |
20 | Soll ihm gemeldet werden, daß ich reden wolle? Hat wohl je ein Mensch gefordert, er wolle vernichtet sein? |
21 | Und nun: in das Sonnenlicht kann man nicht blicken, wenn es am Himmelsgewölbe strahlt, nachdem der Wind darüber hingefahren ist und (den Himmel) geklärt hat. |
22 | Von Norden her kommt das Nordlicht: um Gott her liegt furchtbare Pracht (= Majestät). |
23 | Den Allmächtigen, wir erreichen ihn nicht, ihn, der an Kraft gewaltig ist; aber das Recht und die volle Gerechtigkeit beugt er nicht. |
24 | Darum sollen die Menschen ihn fürchten: er sieht keinen an, der sich selbst weise dünkt!« |
| VIII. Gottes Offenbarung und Hiobs Demütigung (38,1-42,6) |
1 | Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Wettersturme heraus folgendermaßen: |
2 | »Wer ist’s, der da den Heilsplan Gottes verdunkelt mit Worten ohne Einsicht? |
3 | Auf! Gürte dir die Lenden wie ein Mann, so will ich dich fragen, und du belehre mich (oder: gib mir Bescheid)!« |
4 | »Wo warst du, als ich die Erde baute? Sprich es aus, wenn du Einsicht besitzest (oder: Bescheid weißt)! |
5 | Wer hat ihre Maße bestimmt (oder: ihren Bauplan entworfen) – du weißt es ja! –, oder wer hat die Meßschnur über sie ausgespannt? |
6 | Worauf sind ihre Grundpfeiler eingesenkt worden, oder wer hat ihren Eckstein (= Grundstein) gelegt, |
7 | während die Morgensterne allesamt laut frohlockten und alle Gottessöhne (d.h. Engel) jauchzten? |
8 | Und wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es hervorbrach, aus dem Mutterschoß heraustrat? |
9 | Als ich Gewölk zu seinem Kleide machte und dunkle Nebel zu seinen Windeln? |
10 | Als ich ihm das von mir bestimmte Gebiet absteckte und ihm Riegel und Tore herstellte |
11 | und sprach: ›Bis hierher darfst du kommen, aber nicht weiter, und hier soll sich der Stolz deiner Wellen brechen!‹ |
12 | Hast du jemals, seitdem du lebst, das Morgenlicht bestellt? Hast du dem Frührot seine Stätte angewiesen, |
13 | daß es die Säume der Erde erfasse und die Frevler von ihr verscheucht werden? |
14 | Sie (die Erde) verwandelt sich alsdann wie Wachs unter dem Siegel, und alles stellt sich dar wie ein Prachtgewand; |
15 | den Frevlern aber wird ihr Licht entzogen, und der zum Schlagen schon erhobene Arm zerbricht. |
16 | Bist du bis zu den Quellen des Meeres gekommen, und hast du die tiefsten Tiefen des Weltmeers durchwandelt? |
17 | Haben sich vor dir die Pforten des Todes aufgetan, und hast du die Pforten des Schattenreichs gesehen? |
18 | Hast du die weiten Flächen der Erde überschaut? Sage an, wenn du dies alles weißt! |
19 | Wo geht denn der Weg nach der Wohnung des Lichts, und die Finsternis, wo hat sie ihre Heimstätte, |
20 | daß du sie in ihr Gebiet hinbringen könntest und daß die Pfade zu ihrem Hause dir bekannt wären? |
21 | Du weißt es ja, denn damals wurdest du ja geboren, und die Zahl deiner Lebenstage ist groß! |
22 | Bist du zu den Vorratskammern des Schnees gekommen, und hast du die Speicher des Hagels gesehen, |
23 | den ich aufgespart habe für die Drangsalszeiten, für den Tag des Kampfes und des Krieges? |
24 | Wo ist der Weg dahin, wo das Licht sich teilt und von wo der Ostwind sich über die Erde verbreitet? |
25 | Wer hat der Regenflut Kanäle gespalten und einen Weg dem Donnerstrahl gebahnt, |
26 | um regnen zu lassen auf menschenleeres Land, auf die Steppe, wo niemand wohnt, |
27 | um die Einöde und Wildnis reichlich zu tränken und Pflanzengrün sprießen zu lassen? |
28 | Hat der Regen einen Vater, oder wer erzeugt die Tropfen des Taues? |
29 | Aus wessen Mutterschoße geht das Eis hervor, und wer läßt den Reif des Himmels entstehen? |
30 | Wie zu Stein verhärten sich die Wasser, und der Spiegel der Fluten schließt sich zur festen Decke zusammen. |
31 | Vermagst du die Bande des Siebengestirns zu knüpfen oder die Fesseln (oder: den Gürtel) des Orion zu lösen? |
32 | Läßt du die Bilder des Tierkreises zur rechten Zeit hervortreten, und leitest du den Großen Bären samt seinen Jungen? |
33 | Kennst du die für den Himmel gültigen Gesetze, oder bestimmst du seine Herrschaft über die Erde? |
34 | Kannst du deine Stimme hoch zu den Wolken dringen lassen, daß strömender Regen dich bedecke? |
35 | Entsendest du die Blitze, daß sie hinfahren und zu dir sagen: ›Hier sind wir‹? |
36 | Wer hat Weisheit in die Wolkenschichten gelegt oder wer dem Luftgebilde Verstand verliehen? |
37 | Wer zählt die Federwolken mit Weisheit ab, und die Schläuche des Himmels, wer läßt sie sich ergießen, |
38 | wenn das Erdreich sich zu Metallguß verhärtet hat und die Schollen sich fest zusammenballen? |
39 | Erjagst du für die Löwin die Beute, und stillst du die Gier der jungen Leuen, |
40 | wenn sie in ihren Höhlen kauern, im Dickicht auf der Lauer liegen? |
41 | Wer verschafft dem Raben sein Futter, wenn seine Jungen zu Gott schreien und wegen Mangels an Nahrung umherirren? |
1 | Kennst du die Zeit, wo die Felsgemsen (oder: Steinböcke) werfen, und überwachst du das Kreißen der Hirschkühe? |
2 | Zählst du die Monde, während derer sie trächtig sind, und weißt du die Zeit, wann sie gebären? |
3 | Sie kauern nieder, lassen ihre Jungen zur Welt kommen, entledigen sich leicht ihrer Geburtsschmerzen. |
4 | Ihre Jungen erstarken, werden im Freien groß; sie laufen davon und kehren nicht wieder zu ihnen zurück. |
5 | Wer hat den Wildesel frei laufen lassen und wer die Bande dieses Wildfangs gelöst, |
6 | dem ich die Steppe zur Heimat angewiesen habe und zur Wohnung die Salzgegend? |
7 | Er lacht des Gewühls der Stadt, den lauten Zuruf des Treibers hört er nicht. |
8 | Was er auf den Bergen erspäht, ist seine Weide, und jedem grünen Halme spürt er nach. |
9 | Wird der Büffel Lust haben, dir zu dienen oder nachts an deiner Krippe zu lagern? |
10 | Kannst du den Büffel mit seinem Leitseil an die Furche binden, oder wird er über Talgründe die Egge hinter dir herziehen? |
11 | Darfst du ihm trauen, weil er große Kraft besitzt, und ihm deinen Ernteertrag (oder: deine Feldarbeit) überlassen? |
12 | Darfst du ihm zutrauen, daß er deine Saat einbringen und sie auf deiner Tenne zusammenfahren werde? |
13 | Die Straußenhenne schwingt fröhlich ihre Flügel: sind es aber des (liebevollen) Storches Schwingen und Gefieder? |
14 | Nein, sie vertraut ihre Eier der Erde an und läßt sie auf dem Sande warm werden; |
15 | denn sie denkt nicht daran, daß ein Fuß sie (oder: eins) dort zerdrücken und ein wildes Tier sie (oder: eins) zertreten kann. |
16 | Hart behandelt sie ihre Jungen, als gehörten sie ihr nicht; ob ihre Mühe vergeblich ist, das kümmert sie nicht; |
17 | denn Gott hat ihr große Klugheit versagt und ihr keinen Verstand zugeteilt. |
18 | Doch sobald sie hoch auffährt zum Laufen, verlacht sie das Roß und seinen Reiter. |
19 | Gibst du dem Roß die gewaltige Stärke? Bekleidest du seinen Hals mit der wallenden Mähne? |
20 | Machst du es springen wie die Heuschrecke? Sein stolzes Schnauben – wie erschreckend! |
21 | Es scharrt den Boden im Blachfeld und freut sich seiner Kraft, zieht der gewappneten Schar entgegen. |
22 | Es lacht über Furcht und erschrickt nicht, macht nicht kehrt vor dem Schwert; |
23 | auf ihm klirrt ja der Köcher, blitzen der Speer und der Kurzspieß. |
24 | Mit Ungestüm und laut stampfend sprengt es im Fluge dahin und läßt sich nicht halten, wenn die Posaune erschallt; |
25 | bei jedem Trompetenstoß ruft es ›Hui!‹ und wittert den Kampf von fern, den Donnerruf (= Kommandoruf) der Heerführer und das Schlachtgetöse. |
26 | Hebt der Habicht dank deiner Einsicht die Schwingen, breitet seine Flügel aus nach dem Süden zu? |
27 | Oder schwebt der Adler auf dein Geheiß empor und baut sein Nest in der Höhe? |
28 | Auf Felsen wohnt er und horstet auf Felszacken und Bergspitzen; |
29 | von dort späht er nach Beute aus: in weite Ferne blicken seine Augen; |
30 | und seine Jungen schon verschlingen gierig das Blut, und wo Erschlagene liegen, da ist auch er.« |
1 | Hierauf wandte sich der HERR weiter an Hiob mit der Frage: |
2 | »Hadern will der Tadler mit dem Allmächtigen? Der Ankläger Gottes gebe Antwort darauf!« |
3 | Da antwortete Hiob dem HERRN: |
4 | »Ach, ich bin zu gering: was soll ich dir entgegnen? Ich lege meine Hand auf den Mund! |
5 | Einmal habe ich geredet, werde aber nichts mehr entgegnen; und noch ein zweites Mal habe ich es getan, doch niemals tue ich es wieder.« |
6 | Weiter antwortete der HERR dem Hiob aus dem Wettersturm heraus folgendermaßen: |
7 | »Auf! Gürte dir die Lenden wie ein Mann: ich will dich fragen, und du belehre mich! |
8 | Willst du wirklich mein Recht zunichte machen, mich schuldig sprechen, damit du als gerecht dastehst (= recht behältst)?« |
9 | »Hast du etwa einen Arm wie Gott, und vermagst du den Donner so laut rollen zu lassen wie er? |
10 | So schmücke dich doch mit Erhabenheit und Hoheit und kleide dich in Pracht und Herrlichkeit! |
11 | Laß die Ausbrüche deines Zorns sich ergießen! Und gewahrst du irgendeinen Hochmütigen, so wirf ihn nieder! |
12 | Ja, gewahrst du irgendeinen Hochmütigen, so demütige ihn und stürze die Frevler nieder, wo sie stehen! |
13 | Laß sie allesamt tief in den Staub sinken, laß ihr Angesicht erstarren in Todesgrauen! |
14 | Dann will auch ich dich lobend anerkennen, daß deine Rechte dir den Sieg verliehen hat.« |
15 | »Sieh doch das Nilpferd an, das ich geschaffen habe wie dich: von Pflanzen nährt es sich wie das Rind! |
16 | Sieh doch, welche Kraft bei ihm in den Lenden wohnt und welche Stärke in den Muskeln seines Leibes! |
17 | Es macht seinen Schwanz so starr wie eine Zeder; die Sehnen seiner Schenkel sind fest verflochten. |
18 | Seine Knochen sind Röhren von Erz, seine Gebeine (oder: Schulterblätter) gleich geschmiedeten Eisenstangen. |
19 | Es ist der Erstling (= das Meisterstück) der schöpferischen Tätigkeit Gottes; sein Bildner hat ihm auch sein Schwert verliehen. |
20 | Denn Futter liefern ihm die Anhöhen, wo alle wilden Landtiere spielen (= sich lustig tummeln). |
21 | Unter Lotusbüschen lagert es sich, im Versteck von Schilfrohr und Sumpf; |
22 | Lotusbüsche geben ihm Deckung mit ihrem Schattendach, und die Weiden des Baches umgeben es. |
23 | Selbst wenn der Strom mächtig anschwillt, gerät es nicht in Unruhe: es bleibt wohlgemut, wenn auch ein Jordan (oder: Sturzbach) gegen seinen Rachen andringt. |
24 | Wer will es von vorn packen, wer mit einem Fangseil ihm die Nase durchbohren? |
25 | Kannst du das Krokodil (eig. der Leviathan) am Angelhaken heranziehen und ihm die Zunge mit der Schnur (oder: dem Fangseil) niederdrücken? |
26 | Kannst du ihm einen Binsenring durch die Nase ziehen und einen Dorn (= Haken) durch seinen Kinnbacken bohren? |
27 | Meinst du, es werde viele Bitten an dich richten oder dir gute Worte geben? |
28 | Wird es einen Vertrag mit dir schließen, wonach du es für immer in deine Dienste nähmest? |
29 | Wirst du mit ihm spielen wie mit einem Vöglein und es zur Kurzweil (= als Spielzeug) für deine Mägdlein anbinden? |
30 | Treibt die Fischerzunft Handel mit ihm, daß sie es stückweise an die Händler abgibt? |
31 | Kannst du ihm die Haut mit Spießen spicken und seinen Kopf mit Fischerhaken (= Harpunen) durchbohren? |
32 | Vergreife dich nur einmal an ihm: mache dich auf Kampf gefaßt! Du wirst’s gewiß nicht wieder tun! |
1 | Ja, eine solche Hoffnung erweist sich als Trug: schon bei seinem Anblick bricht man zusammen. |
2 | Niemand ist so tollkühn, daß er es aufstört; und wer ist es, der ihm entgegengetreten und heil davongekommen wäre? |
3 | Wer unter dem ganzen Himmel ist es? |
4 | Nicht schweigen will ich von seinen Gliedmaßen, weder von seiner Kraftfülle noch von der Schönheit seines Baues. |
5 | Wer hat je sein Panzerkleid oben aufgedeckt und wer sich in die Doppelreihe seines Gebisses hineingewagt? |
6 | Wer hat je das Doppeltor seines Rachens geöffnet? Rings um seine Zähne herum lagert Schrecken. |
7 | Prachtvoll sind die Zeilen seiner Schilder (oder: die Rinnen seiner Schuppenplatten), jede einzelne enganliegend wie durch ein festes Siegel: |
8 | eine schließt sich eng an die andere an, und kein Lüftchen dringt zwischen ihnen ein: |
9 | jede haftet fest an der andern, sie greifen untrennbar ineinander. |
10 | Sein Niesen läßt einen Lichtschein erglänzen, und seine Augen gleichen den Wimpern des Morgenrots. |
11 | Aus seinem Rachen schießen Flammen, sprühen Feuerfunken hervor. |
12 | Aus seinen Nüstern strömt Rauch heraus wie aus einem siedenden Topf und wie aus Binsenfeuer. |
13 | Sein Atem setzt Kohlen in Brand, und Flammen entfahren seinem Rachen. |
14 | In seinem Nacken wohnt Kraft, und vor ihm her stürmt bange Furcht dahin. |
15 | Die Wampen seines Leibes haften fest zusammen, sind wie angegossen an ihm, unbeweglich. |
16 | Sein Herz ist hart wie ein Stein und unbeweglich wie ein unterer Mühlstein. |
17 | Wenn es auffährt, schaudern selbst Helden (oder: Vorkämpfer), geraten vor Entsetzen außer sich. |
18 | Trifft man es mit dem Schwert – das haftet ebensowenig wie Speer, Wurfspieß und Pfeil. |
19 | Eisen achtet es gleich Stroh, Erz gleich morschem Holz. |
20 | Kein Pfeil des Bogens bringt es zum Fliehen; Schleudersteine verwandeln sich ihm in Spreu. |
21 | Wie ein Strohhalm kommt ihm die Keule vor, und nur ein Lächeln hat es für den Anprall der Lanze. |
22 | Seine Unterseite bilden spitze Scherben; einen breiten Dreschschlitten drückt es in den Schlamm ein. |
23 | Es macht die tiefe Wasserflut wie einen Kochtopf sieden, rührt das Meer (d.h. den Nil) auf wie einen Salbenkessel. |
24 | Hinter ihm her leuchtet sein Pfad: man könnte die Schaumflut für Silberhaar halten. |
25 | Auf Erden gibt es nicht seinesgleichen; es ist dazu geschaffen, sich nie zu fürchten. |
26 | Auf alles Hohe sieht es mit Verachtung hin: der König ist es über alle stolzen Tiere.« |
1 | Da antwortete Hiob dem HERRN folgendermaßen: |
2 | »Ich habe anerkannt, daß du alles vermagst und kein Vorhaben (oder: Plan) dir unausführbar ist. |
3 | [›Wer ist’s, der da den Ratschluß Gottes verdunkelt ohne Einsicht?‹ (vgl. 38,2)] So habe ich denn in Unverstand geurteilt über Dinge, die zu wunderbar für mich waren und die ich nicht verstand. |
4 | [›Höre doch und laß mich reden! Ich will dich fragen, und du belehre mich!‹ (vgl. 40,7)] |
5 | Nur durch Hörensagen hatte ich von dir vernommen, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. |
6 | Darum bekenne ich mich schuldig und bereue in Staub und Asche.« |
| IX. Hiobs Rechtfertigung durch Gott; Wiederherstellung seines Glücksstandes (42,7-17) |
7 | Darauf, nachdem der HERR so zu Hiob gesprochen hatte, sagte der HERR zu Eliphas von Theman: »Entbrannt ist mein Zorn gegen dich und gegen deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht richtig (oder: aufrichtig) von mir geredet wie mein Knecht Hiob. |
8 | Darum holt euch nun sieben junge Stiere und sieben Widder, begebt euch zu meinem Knecht Hiob und bringt ein Brandopfer für euch dar! Mein Knecht Hiob soll dann Fürbitte für euch einlegen; denn nur aus Rücksicht auf ihn will ich euch eure Torheit nicht entgelten lassen, weil ihr nicht richtig (oder: aufrichtig) von mir geredet habt wie mein Knecht Hiob.« |
9 | Da gingen Eliphas von Theman, Bildad von Suah und Zophar von Naama hin und taten, wie der HERR ihnen geboten hatte; und der HERR nahm Rücksicht auf Hiob (d.h. nahm Hiobs Fürbitte an). |
10 | Der HERR stellte dann Hiobs Glücksstand wieder her, als er Fürbitte für seine Freunde eingelegt hatte; und der HERR vermehrte den ganzen Besitz Hiobs so, daß er doppelt so groß war als früher. |
11 | Da kamen alle seine Brüder und Schwestern und alle seine früheren Bekannten zu ihm; sie aßen mit ihm in seinem Hause, bezeigten ihm ihr Beileid und trösteten ihn wegen all des Unglücks, mit dem der HERR ihn heimgesucht hatte; auch schenkten sie ihm ein jeder ein wertvolles Geldstück (vgl. 1.Mose 33,19) und jeder einen goldenen Ring. |
12 | Der HERR aber segnete die nachfolgende Lebenszeit Hiobs noch mehr als seine frühere, so daß er es auf 14000 Stück Kleinvieh, 6000 Kamele, 1000 Joch (= Paar) Rinder und 1000 Eselinnen brachte. |
13 | Auch wurden ihm wieder sieben Söhne und drei Töchter geboren; |
14 | die eine (oder: die erste) nannte er Jemima (d.h. Täubchen), die andere Kezia (d.h. Kassia, Zimtduft), die dritte Keren-Happuch (d.h. Schminktöpfchen oder: Augenweide); |
15 | und man fand im ganzen Lande keine so schönen Frauen wie die Töchter Hiobs; und ihr Vater gab ihnen ein Erbteil unter ihren Brüdern. – |
16 | Danach lebte Hiob noch hundertundvierzig Jahre und sah seine Kinder und Kindeskinder, vier Geschlechter; |
17 | dann starb Hiob alt und lebenssatt. |