Jetzt steht das Ende der Mission Jesu unmittelbar bevor, denn Jesus
geht das letzte Mal nach Jerusalem.
Kurz bevor Jesus in Jerusalem einzieht und von vielen als Sohn Davids umjubelt
wird (Mat 21,9,) macht er seinen Jüngern noch einmal deutlich, dass jetzt noch nicht
sein Königreich anbricht, sondern zunächst sein Leiden.
Diesmal gibt Jesus genauere Details über den Ablauf seines Leidens und Sterbens
bekannt: Hohepriester und Schriftgelehrte, die religiösen Führer des Volkes, die
aufgrund ihrer Kenntnis der Heiligen Schriften den Messias als erste erkennen müssten,
werden im Hohen Rat, der die teilautonome
Regierung des von den Römern besetzten Judäa bildete, die Auslöser sein
und Jesus an die Hieden, bzw. Nationen (je nach Übersetzung) ausliefern.
Dass Jesus hier nicht von Römern spricht, sondern von Heiden, richtet die Betonung
weg von den politischen Verhältnissen und
darauf, dass es sich um Menschen handelt, die Gott nicht kennen.
Bei der Hinrichtung Jesu arbeiten Juden und Nichtjuden zusammen. Alle
Menschengruppen sind also daran beteiligt. (Vgl. Röm 1,16 / 1Ko 1,22-23: hier werden
jeweils die Griechen stellvertretend für alle Nichtjuden genannt, da damals
der gesamte Mittelmeerraum von griechischer Kultur geprägt war.)
Auch Verspottung und Geißelung nennt Jesus. Diese vielen Details zeigen erneut
seine göttliche Allwissenheit. Auf manche der Ereignisse kann man zwar mit Kenntnis
der Verhältnisse auch schließen, aber nicht auf eine Auferstehung, die Jesus
ebenfalls erneut ankündigt.
Warum informierte Jesus nur die zwölf Apostel?
Jesus nimmt seine 12 Apostel beiseite, getrennt von der übrigen Menge, die Jesus folgte.
Die Apostel waren am engsten mit ihm verbunden und von Anfang an ständig bei ihm
gewesen (vgl. Apg 1,21-22). Sie hatten ihr Leben an ihn gebunden und waren mittlerweile überzeugt,
dass Jesus der Christus ist (Mat 16,15-17). Dieser Glaube könnte enttäuscht und zerstört werden,
wenn sie erleben, dass sich ihre Hoffnungen nicht erfüllen (vgl. Luk 22,31-34 / Luk 24,18-21).
Daher muss Jesus sie darauf vorbereiten, dass sein Tod kein Scheitern seiner Mission
ist, sondern dazugehört. Es brauchte mehrere Ankündigungen, damit die Jünger
dies halbwegs zur Kenntnis nahmen. Die anderen, die Jesus nur zeitweise nachfolgten,
würden das wohl gar nicht verstehen können.
Die Reaktion der Jünger
Bei der ersten Ankündigung in Mat 16,21-22 wollte Petrus es nicht glauben.
Bei der zweiten Ankündigung in Mat 17,22-23 wurden die Jünger betrübt, weil sie
ihren Blick nur auf den Tod Jesu, aber nicht auf die Auferstehung richteten.
Hier nun scheint es anders zu sein. Zwar wird keine direkte
Reaktion der Jünger berichtet, aber dass gleich danach zwei Jünger darum bitten,
die Ehrenplätze im Reich Jesu besetzen können, scheint darauf hinzudeuten,
dass sie doch schon über den Tod Jesu hinausblickten.
In der Parallelstelle in Luk 18,31-34 wird uns allerdings mitgeteilt, dass die Jünger
nichts begriffen. Daher müssen wir davon ausgehen, dass die Anfrage der Söhne
des Zebedäus eher Ausdruck der Ignoranz der Botschaft Jesu ist.
Mat 20,20-28 Die Bitte der Söhne des Zebedäus und wahre Größe in Gottes Reich
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus (Mat 4,21 / Mat 10,2), die Jesus auch
Donnersöhne nannte (Mrk 3,17), wollten die Ehrenplätze im Reich Jesu einnehmen.
Die Mutter wird in der Parallelstelle in Mrk 10,35-45 nicht erwähnt. Daher können
wir davon ausgehen, dass der Antrieb zu dieser Bitte tatsächlich von den Söhnen
ausging und sie ihre Mutter nur hinzugezogen haben, um selbst bescheidener
dazustehen oder der Bitte mehr Gewicht zu verleihen. Es gibt die Vermutung,
dass ihre Mutter Jesu Tante gewesen sein könnte, weil in den Listen der Frauen am
Kreuz in Joh 19,25 die Schwester seiner Mutter und in Mat 27,56 die Mutter
der Söhne des Zebedäus erwähnt wird. Dass diese zwei identisch sind,
ist jedoch überhaupt nicht sicher, denn laut Mat 27,55 waren viele Frauen am Kreuz zugegen,
von denen nur wenige genauer benannt werden. Die Listen können also ohne weiteres
verschieden sein. Jedenfalls aber gehörte die Mutter der Söhne des Zebedäus
zu denen, die Jesus von Galiläa nachgefolgt waren und ihm gedient hatten (Mat 27,55).
Jakobus und Johannes gehörten zum engeren Kreis der Jünger, die auch bei
ganz herausragenden Ereignissen dabei waren, wie der Verklärung Jesu (Mat 17,1),
der Auferweckung der Tochter des Jairus (Mrk 5,37), der Endzeitrede (Mrk 13,3),
dem Gebet Jesu im Garten Gethsemani vor der Gefangennahme (Mat 26,36-37 / Mrk 14,32-33).
Die Bitte der Brüder ist also nicht völlig aus der Luft gegriffen. Jesus hat
ja den Aposteln auch kurz zuvor Macht versprochen (Mat 19,28).
Mat 20,22-23 Die Antwort Jesu auf die Bitte der Zebedäussöhne
Jesus macht ihnen durch seine Antwort deutlich, dass sie trotz ihrer
Vorzüge, keinen Anspruch auf die Ehrenplätze im Himmelreich haben, ja dass
sie noch nicht einmal wissen, was das bedeutet worum sie bitten.
Er fragt sie nach ihrer Berechtigung für ihr Ansinnen: "Könnt ihr den Kelch trinken ...?"
Der Kelch hatte als Trinkgefäß häufig symbolische Bedeutung. Das Reichen des
Kelchs war Bild für Lebensfügung und Schicksal:
In Jes 51,17-23 ist der Kelch des Zorns, den Gott Jerusalem gibt, die Strafe durch
Krieg und Exil. Auch in Off 14,10 / Off 16,19 / Off 18,6 steht der Kelch für den
Zorn Gottes und Strafe.
Jesus spricht vom Kelch im Zusammenhang mit seinem Leiden und Sterben (Mat 26,39+42 / Joh 18,11).
Zwischen Leiden und dem Reich Gottes besteht eine Beziehung:
Wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes eingehen (Apg 14,22)
Die Frage Jesu deutet also an, dass das Leiden mit und für ihn offenbar Voraussetzung
dafür ist, in seinem Reich besonders geehrt zu werden.
Ob Jakobus und Johannes die Frage Jesu nach dem Kelch damals schon so verstanden haben,
ist nicht sicher. Jedenfalls sahen sie darin eine Leistung, die sie meinten erbringen
zu können. Im Leiden haben sie später am Kelch Jesu tatsächlich teilgenommen (Apg 12,1-2 / Off 1,9).
Aber obwohl sie die notwendigen Voraussetzungen für die Ehrenplätze später erfüllen werden,
ist das nicht hinreichend um sie tatsächlich beanspruchen zu können. Sie werden nämlich
von Gott souverän vergeben, ohne dass wir darauf direkt Einfluss nehmen können.
Auch hier kommt wieder zum Ausdruck, dass die Zuwendungen Gottes reine Gnade sind,
wie auch schon der Lohn für die Arbeit im Reich Gottes, wie Jesus unmittelbar vorher
im Gleichnis deutlich gemacht hat (Mat 20,1-16).
Obwohl Jesus Gottes Sohn ist, und er vieles auch in Souveränität tut, ordnet
er sich dem Vater unter, was in einigen Aspekten immer wieder zu Tage tritt, wie
auch hier. Für die Vergabe der Ehrenplätze hat er kein Mandat vom Vater.
Mat 20,24-28 Die Reaktion der anderen Jünger und Belehrung durch Jesus
Dieses Ansinnen der Zebedäussöhne, sich quasi vordrängeln zu wollen, macht
die anderen ärgerlich, wahrscheinlich weil einige von ihnen die Ehrenplätze
auch gerne besetzt hätten. Um ein Zerwürfnis zwischen den Jüngern zu verhindern
belehrt er sie grundsätzlich darüber, was bei Gott
wichtig ist. Und wieder stellt er ihr Weltbild auf den Kopf.
In Vers 25 stellt Jesus zunächst dar, wie es in der von der Sünde geprägten,
gefallenen Welt, die Gott nicht kennt (Heiden, Nationen), normalerweise aussieht:
Mächtige missbrauchen ihre Macht um andere zu unterdrücken.
Wie es unter Jüngern Jesu stattdessen sein soll, formuliert Jesus in den
Versen 26 und 27 zweimal mit verschiedenen Worten in der Art eines hebräischen
Parallelismus, wie er in der hebräischen Poesie immer wieder vorkommt.
Die zweifache Wiederholung mit verschiedenen Worten macht den Sachverhalt
verständlicher und erleichtert, ihn sich zu merken. Wahrscheinlich will
Jesus damit auch die Wichtigkeit betonen.
Die Psalmen und Sprüche beispielsweise sind voll von solchen
Parallelismen (z. B. Psm 2,5+8 / Psm 119,1 / Spr 1,4-5 / Spr 8,1+5).
Die Einstellung, die die Jünger haben sollen, charakterisiert Jesus durch
zwei Wörter:
Diener (gr. diakonos): Diener, Helfer, Beamter, Diakon; er dient nicht
unterwürfig, wie ein Sklave, sondern freiwillig. Dabei liegt der Schwerpunkt
nicht auf dem Unterordnungsverhältnis, sondern auf dem Vorteil für den, dem
gedient wird.
Sklave (gr. doulos): Einer, der in einem Dauerverhältnis der Unterordnung zu einem
anderen steht, im Gegensatz zu einem Freien (Röm 6,20 / 1Ko 7,22 / 1Ko 12,13 / Gal 3,28 / Off 13,16).
Das Verhältnis der Jünger untereinander soll also sowohl durch Unterordnung (Sklave)
als auch durch Freiwilligkeit und Hilfsbereitschaft (Diener) geprägt sein.
Das fließt später auch in die Lehre der Apostel
über die richtige Einstellung von Gemeindeleitern und dem Umgang miteinander
in der Gemeinde ein (1Pt 5,1-5 / Php 2,2-8).
Dieses wichtige Thema greift Jesus angesichts des schlechten Vorbilds der
Schriftgelehrten und Pharisäer nochmals auf: Mat 23,6-12.
Zum Abschluss gibt Jesus in Vers 28 sich selbst den Jüngern als Vorbild.
Sich als Diener oder Sklave zu sehen schließt nicht aus, dass jemand
auch Führungsverantwortung hat. Das macht Jesus deutlich, als er die Haltung
des Dieners bei der Fußwaschung nochmals verdeutlicht (Joh 13,3-17). Jesus hat
sich gelegentlich auch bedienen lassen (Mat 8,14-15 / Luk 8,1-3 / Luk 10,38-40 / Joh 12,1-2).
Vielmehr kommt es auf die richtige innere Haltung an, die Motivation für
das Handeln ist (vgl. Luk 17,7-10). Das Hauptmotiv soll das Dienen und Helfen
sein, das für Jesus Anlass war zu seinem Erlösungswerk auf die Erde zu kommen (vgl. Php 2,5-8).
Mit Absicht wählt Jesus dafür in diesem Zusammenhang das Bild vom Lösegeld, das dazu diente
einen Gefangenen oder Sklaven freizukaufen. Hier einige Aspekte der Erlösung durch Jesus:
Wer Sünde tut, ist ihr Knecht; wer bei Chr. Wort bleibt, wird frei